Peter-Alexander Wacker:"Die Politik unterstützt uns zu wenig"

Vorteil USA: Peter-Alexander Wacker über seine Rolle als Aufsichtsrat des Chemiekonzerns, warum die neue Siliziumfabrik nicht in Deutschland entsteht - und er auf frühen Stress gut verzichten kann.

Björn Finke und Sibylle Haas

Peter-Alexander Wacker, 59, fühlt sich von der deutschen Politik zu wenig unterstützt. Deshalb baue der Chemiekonzern Wacker, der im bayrischen Burghausen sein Stammwerk hat, die neue Siliziumfabrik nun in den USA. Den Deutschen fehle die Erkenntnis, wie wichtig es sei, eine industrielle Basis zu besitzen. "Inzwischen geht es uns wahrscheinlich zu gut", meint Wacker. Er hat 2008 den Vorsitz im Vorstand gegen den im Aufsichtsrat eingetauscht. Dass Vorstände zwei Jahre warten sollen, bevor sie in den Aufsichtsrat dürfen, findet er schlecht. Dadurch gehe Kompetenz verloren.

Bilanz-Pk der Wacker Chemie AG in München

Bilanz-Pk der Wacker Chemie AG in München Der Vorstandsvorsitzende der Wacker Chemie AG, Peter-Alexander Wacker, lächelt am Dienstag (18.03.2008) auf der Bilanzpressekonferenz in München vor dem Logo des Unternehmens. Der Halbleiter-Zulieferer und Chemiekonzern bleibt nach einem Rekordjahr auf Wachstumskurs. Nach einem Gewinnsprung um 36 Prozent auf 422 Millionen Euro im vergangenen Jahr will Wacker Chemie seine Dividende erhöhen. Foto: Frank Leonhardt dpa/lby (zu dpa 0247) +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

SZ: Herr Wacker, Ihr Unternehmen baut eine Siliziumfabrik in den USA. Warum nicht in Deutschland?

Wacker: Die USA haben den Zuschlag bekommen, weil unter anderem an dem neuen Standort die Infrastruktur besser ist als in Deutschland. Auch ist die Energie billiger. Der Energiepreis in Deutschland ist im internationalen Vergleich am oberen Ende. Die Chemieindustrie ist aber sehr energieintensiv. Die deutsche Politik unterstützt uns da zu wenig.

SZ: Aber die Regierung hat doch gerade auf Drängen der Industrie die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert.

Wacker: Die Laufzeitverlängerung ist die eine, der Atomausstieg die andere Seite. Wir können uns den Ausstieg doch gar nicht leisten. Wo soll der Strom denn herkommen? Am Ende importieren wir ihn aus dem Ausland, das den Strom in Atomkraftwerken herstellt. Da ist es mir lieber, wir haben die Technologie unter Kontrolle. Wenn wir mehr in die Forschung investiert hätten, wären wir heute viel weiter in der Beherrschung der möglichen Risiken. Doch die Politik hat die Weichen in vielerlei Hinsicht falsch gestellt.

SZ: Woran hakt es konkret?

Wacker: Zum Beispiel an der schlechten Straßen- und Bahnanbindung unseres Stammwerkes in Burghausen in Ostbayern. Alle Rufe, die Verkehrsanbindung zu verbessern, wurden nicht gehört. Es fehlt anscheinend die Erkenntnis, dass es wichtig ist, die industrielle Basis zu stärken. Die Politik belastet die Unternehmen immer mehr mit Abgaben und wundert sich, dass die Firmen ins Ausland gehen.

SZ: Ist das in Sachsen besser als in Bayern? Wacker will künftig in Sachsen investieren.

Wacker: In Sachsen ist die Akzeptanz unserer Branche bei Politik und in der Öffentlichkeit größer als in Bayern. Natürlich kann ein Politiker allein nicht sicherstellen, dass Bürgerproteste ausbleiben. Aber er kann für einen generellen Grundkonsens sorgen.

SZ: In den USA gibt es diesen Konsens. Woran liegt das?

Wacker: Am gesamten wirtschaftlichen Klima. In den USA werden Firmen unterstützt mit Infrastrukturmaßnahmen, es gibt langfristige und kostengünstige Energielieferverträge, es werden Umschulungen finanziert und vieles mehr.

SZ: Warum mögen die Deutschen die Industrie nicht?

Wacker: Viele Politiker haben die Fähigkeit verloren, die Probleme der Menschen zu sehen, ihnen die Zusammenhänge zu erklären und sie mitzunehmen. Das führt zu einem großen Unmut. Der zeigt sich dann in solchen Bürgerprotesten, wie wir sie nun in Stuttgart erlebt haben.

SZ: Die Menschen sind nur schlecht informiert?

Wacker: Nein, das nicht. In Stuttgart sind alle demokratischen Prozesse durchlaufen worden. Da ist viel informiert worden. Aber ich denke, dass die Einbindung der Meinungen, also die Mediation, viel zu spät stattgefunden hat.

SZ: Liegt das auch am allgemeinen Wohlstand, dass die Industrie nicht mehr den Rückhalt in der Bevölkerung hat?

Wacker: Ja. Dies kann man zum Beispiel an China festmachen. Dort ist die Zusammenarbeit zwischen der Regierung, den lokalen Behörden und den Menschen sehr viel enger als in Deutschland. Und natürlich ist auch die Bereitschaft höher, etwas für eine industrielle Ansiedlung zu tun. Die Chinesen verbinden mit der Industrie einen Zuwachs an Wohlstand. Für die Deutschen hatte die Industrie nach dem Krieg auch einen sehr hohen Stellenwert. Inzwischen geht es uns wahrscheinlich zu gut. Denn wir erkennen nicht, wie wichtig eine industrielle Basis für Deutschland ist.

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