Wenn jemand wie Alexander Everke für Osram bietet, dann geht es nicht ums Klein-Klein, sondern um echte Dimensionen. "Wir haben die Möglichkeit, einen europäischen Champion zu schaffen", sagt der Chef des österreichischen Sensorherstellers AMS. Was Everke nach dem Kauf von Osram vorschwebt, ist ein Hersteller von modernsten optoelektronischen Produkten für Mobiltelefone, medizintechnische Geräte oder für Autos.
Das Großprojekt lässt sich der Elektrotechniker, der in Bochum studiert hat, etwas kosten: Um die Finanzinvestoren Bain und Carlyle, die ebenfalls für Osram bieten, aus dem Weg zu schlagen, hatte AMS am Freitag sein Angebot noch schnell um 2,50 auf 41 Euro je Aktie erhöht, und jetzt liegt es an den Aktionären, ob Everke und sein Unternehmen aus Premstätten bei Graz bis Dienstagnacht die erforderlichen 62,5 Prozent der Osram-Aktien einsammeln können.
"Wir kriegen sie", sagte Everke vor einigen Tagen zu der Annahmeschwelle. Da trat er in einem Münchner Altbaubüro vor die Presse, selbstbewusst. Er sei "kein Fan von Plan B oder C". Klar, A ist immer am besten. Zuletzt hatte AMS wohl an die 15 Prozent der Osram-Anteile. Da fehlten Everke also noch einige Aktien, um sein Ziel zu erreichen. Am Montag hieß es aus Finanzkreisen eher vorsichtig: "Da ist viel Unsicherheit im Spiel, es wird verdammt eng."
Eng oder nicht, der AMS-Chef will Osram unbedingt haben, koste es, was es wolle. Die Beteiligungsunternehmen Bain und Carlyle boten im Juli 35 Euro je Osram-Aktie; ein Angebot von Bain und dem Investor Advent ist angeblich geplant, aber nie konkretisiert worden. Da könnten Everkes 41 Euro aus Sicht der Aktionäre eine klare Ansage sein. Haben oder nicht haben.
Nun braucht man wahrscheinlich ein Selbstbewusstsein wie Everke, um einen solchen Deal durchzuziehen. Sein Unternehmen hat an die 9000 Mitarbeiter und machte 2018 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro. Osram beschäftigt 26 000 Leute bei fast vier Milliarden Euro Umsatz. Das muss man sich erst mal trauen.
David und Goliath kennen sich schon länger
Das Bild des David aus der österreichischen Provinz, der einen mehr als 110 Jahre alten Goliath aus München schlucken will, wurde in den vergangenen Wochen immer wieder erzählt. Am Anfang noch, um zu erklären, warum das alles nicht funktionieren kann und sich das hochverschuldete Unternehmen gerade kräftig verhebt. Später dann, um zu erklären, wie verrückt diese Geschichte eigentlich ist.
David und Goliath kennen sich schon länger, auch das ist Teil der Geschichte. Und das nicht nur, weil auch Osram vor einiger Zeit schon mal ein Auge auf AMS geworfen hatte. Everke, der in München lebt, kam 1991 als Marketing Manager zu Siemens, der früheren Osram-Mutter. Später wechselte er zur abgespaltenen Halbleiter-Tochter Infineon, 2006 zum niederländischen Halbleiterkonzern NXP. 2015 dann brach er in die Steiermark auf und wurde dort vor drei Jahren Vorstandschef.
Von Siemens zu Infineon zu NXP zu AMS - und jetzt als Milliardenbieter bei Osram: Everke hat sich ehrgeizig bis vor die Tore des Münchner Lichtunternehmens vorgearbeitet. Die Frage ist, was der passionierte Aston-Martin-Fahrer machen wird, sollte er Osram tatsächlich unter das Dach von AMS holen.
Es wird erzählt, dass seine Liebe für britische Sportwagen auch etwas mit einer gewissen Verehrung für die Figur des James Bond zu tun hat. Das hieße dann: Taktieren, abwarten - konsequent zugreifen. Bei Osram befürchtet man daher das Schlimmste. Wenn der Preis für die Übernahme höher wird, dann könnte auch der Spardruck steigen - und die Zahl der Jobs, die gestrichen werden, ebenfalls. Es hängt alles davon ab, ob bis Dienstag genug Aktionäre verkaufen.