Es gibt dünne und dicke Justizakten. Manchmal ist die Lektüre spannend, meist aber ist der Inhalt ziemlich spröde. Vor allem Ermittlungsunterlagen aus Bankenverfahren enthalten schweren Stoff. Da wimmelt es von "Liquiditätsfazilitäten", von "AAA Spreads" und von "synthetischen ABS Indexes ABX". Das verstehen selbst viele Banker nicht.
Die neueste Anklage gegen vier ehemalige Vorstandsmitglieder der früheren Landesbank Sachsen Girozentrale (Sachsen LB) ist fast 600 Seiten dick und füllt mehr als 600 Leitzordner, wie die Staatsanwaltschaft Leipzig am Montag mitteilte. Für die Richter, die das alles lesen und entscheiden müssen, ob es zum Prozess kommt, wird das kein Vergnügen. Die Materie ist mindestens so komplex wie die früher von vielen Banken so gerne gekauften Finanzprodukte, mit denen die Geldinstitute viele Milliarden Euro verloren. Und dennoch kann diese Anklage Geschichte machen.
Erstmals wirft eine Staatsanwaltschaft ehemaligen Bankern Untreue vor, weil sie angeblich vorsätzlich die Risiken bei hochkomplexen Finanzgeschäften missachtet hätten. Die internen Kontrollsysteme der Bank seien nicht geeignet gewesen, die diversen Aktivitäten der SachsenLB auf dem Kapitalmarkt ordnungsgemäß zu überwachen. Außerdem seien Jahresabschlüsse falsch dargestellt worden. Der Schaden wird mit mehr als hundert Millionen Euro beziffert.
Verkauf für lächerliche 328 Millionen Euro
Wegen der Fehlspekulationen haben die Sachsen ihre erst 1992 gegründete Staatsbank nach nur anderthalb Jahrzehnten für lächerliche 328 Millionen Euro an die Landesbank Baden-Württemberg veräußern müssen. Außerdem war der Freistaat im Osten gezwungen, dem Käufer auch noch eine Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro für mögliche Verluste zu gewähren.
Die Staatsanwaltschaft wertet das als "Zusammenbruch" der SachsenLB und beschuldigt den früheren Vorstandschef Herbert Süß und drei seiner damaligen Kollegen, beim Handel vor allem mit Kreditpaketen aus Übersee im Umfang von mehr als 32 Milliarden Euro nicht beherrschbare Risiken eingegangen zu sein.
Auf die große Bankenkrise vor fünf Jahren folgten viele Anklagen, weil großes Vermögen veruntreut worden sei. Aber um den Kern des Desasters, das Zocken mit toxischen Papieren, ging es bislang nicht. Sondern um Nebenschauplätze. So haben Leipziger Staatsanwälte drei ehemaligen Spitzenbankern und früheren Mitarbeitern aus der Anfangszeit der SachsenLB bereits Untreue und Bilanzfälschung beziehungsweise Beihilfe vorgeworfen.
Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers haben 40 Millionen Euro Schadensersatz an das Land gezahlt. Nun also die erste Anklage wegen der globalen Zockereien. Das ist ebenso ungewöhnlich wie die Entstehung der Anklageschrift.