Ökosteuer:Der Spar-Tartüff

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Bei der Verschärfung der Ökosteuer dürfte bereits jetzt klar sein, wer alles dagegen vorgehen wird. Und: Die Diskussion wird zeigen, ob der Wechsel ins Regierungsamt die Scheinheiligkeit verringert hat.

Guido Bohsem

Würde man ein Lexikon der politischen Kreaturen verfassen, dürfte der Spar-Tartüff nicht fehlen: Spar-Tartüff, der, häufig anzutreffen in Wirtschaftsverbänden und Lobby-Gruppen. Er fordert einen strikten Sparkurs und ausgeglichenen Haushalt. Plädiert für Subventionsabbau. Protestiert umso lauter, wenn die eigenen Geldgeber betroffen sind. Er hat die Nachfolge der Figur von Molière angetreten, des wohlgenährten Heuchlers.

Finanzminister Schäuble und die Ökosteuer - demnächst soll es weniger Ausnahmen geben. Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, müssen mit Zusatzbelastungen rechnen. (Foto: dpa)

In den kommenden Wochen dürfte der Spar-Tartüff vermehrt zu beobachten sein. Anlass ist das Ökosteuergesetz oder vielmehr seine Überarbeitung. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat darin aufgelistet, wie die zahlreichen Ausnahmeregelungen eingedämmt werden sollen, die bei der Ökosteuer gelten. Das wird zu einem Aufschrei der Tartüffs führen. Doch das sollte weder der Regierung noch dem Publikum Kopfzerbrechen bereiten. Anders als das Wort nahelegt, wird hierbei nicht besonders naturbewusstes Handeln belastet, sondern das Gegenteil. Es geht um den Verbrauch von Strom, Benzin, Heizöl und Gas. Wer viel verbraucht, muss viel zahlen, so lautet das von Rot-Grün eingeführte Prinzip. Die zusätzlichen Einnahmen fließen in die gesetzliche Alterssicherung und stabilisieren so das System. "Rasen für die Rente", das wurde einst zum Standard-Gag in Guido Westerwelles Oppositions-Reden. Die Rente wäre um einiges sicherer, hätte der FDP-Chef für jede Wiederholung des Gags fünf Euro zahlen müssen.

Tatsächlich gibt es einiges zu kritisieren an der Ökosteuer-Konstruktion. Schließlich sieht sie weitgehende Ausnahmen gerade für Betriebe vor, deren Energieverbrauch besonders hoch ist. Die meisten Vielverbraucher können ihre Steuerlast um 40 Prozent drücken. Energieintensive Unternehmen, die in internationalem Wettbewerb stehen, erhalten gar einen Nachlass von 95 Prozent. So eine Schutzklausel ist verständlich, wird aber dem Grundgedanken der ökologischen Steuerreform nun wirklich nicht gerecht. Dass ausgerechnet eine Bundesregierung mit einem Vizekanzler Westerwelle diesen Unsinn eindämmen will, ist so lobenswert wie verblüffend. Denn auch die Union hatte die Ökosteuer stets als ordnungspolitische Torheit verteufelt. Mehr noch als die Einsicht dürfte es die Not sein, die Konservative und Liberale jetzt dazu treibt, die Einnahmen daraus zu erhöhen. Derart schlecht ist die Lage des Haushalts, dass gewohnte Überzeugungen hintanstehen müssen.

Das gilt natürlich auch für liebgewonnene Argumentationsmuster. Insbesondere Westerwelle, aber auch viele Unionspolitiker haben das Streichen von Steuerbegünstigungen zu Oppositionszeiten gern als Steuer-Erhöhungen gegeißelt. Diese klassische Argumentation des Spar-Tartüffs war schon damals unsinnig, hatte aber durchaus Potential, beim Wähler zu verfangen. Die Diskussion über die Neuregelung der Ökosteuer wird es zeigen, ob der Wechsel ins Regierungsamt die Verantwortung gesteigert und die Scheinheiligkeit verringert hat.

© SZ vom 28.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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