Ein Zugeständnis soll die Jahrhundertreform der Unternehmensbesteuerung retten: Bei der Industrieländer-Organisation OECD in Paris verhandeln 137 Regierungen darüber, wie die Besteuerung von Gewinnen multinationaler Konzerne fairer zwischen Staaten aufgeteilt werden kann. Das zielt vor allem auf Internetfirmen wie Facebook und Amazon ab, die weltweit Kunden und Nutzer haben, aber ihre Gewinne bisher ganz überwiegend in den USA versteuern. Doch Mitte Juni kündigte US-Finanzminister Steven Mnuchin in einem Brief an vier europäische Amtskollegen an, vorerst nicht mehr an den Gesprächen teilzunehmen.
Die Empfänger, die Minister von Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien, antworteten prompt - und bieten in ihrem Schreiben Entgegenkommen an, um die Verhandlungen zu retten. In dem zweiseitigen Brief vom 17. Juni, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, ein "schrittweises Vorgehen" würde "das Erreichen einer konsensbasierten Lösung deutlich vereinfachen und eine politische Einigung" bis Jahresende ermöglichen, so wie es der Zeitplan bislang vorsieht. Der bei der OECD diskutierte Vorschlag würde dazu führen, dass Konsumgüter- und Digitalkonzerne in Zukunft einen Teil ihrer Gewinne auch in jenen Ländern versteuern, in denen sie keine Niederlassung haben, dafür jedoch viele Kunden und Nutzer. Die vier EU-Finanzminister bringen nun als Zugeständnis ins Spiel, dass die Reform in einem ersten Schritt nur Digitalkonzerne betreffen könnte.
Zudem argumentiert das Quartett, eine Einigung mache die Einführung nationaler Sonderabgaben für Digitalfirmen überflüssig. Die vier Regierungen haben solche Digitalsteuern etabliert oder arbeiten daran, würden das jedoch aussetzen, wenn es eine OECD-Lösung gibt. Die EU-Kommission will sogar eine Digitalsteuer für Europa vorschlagen, falls die Gespräche bei der OECD scheitern. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lehnt aber bisher eine EU-weite Digitalsteuer ab; er setzt ganz auf die OECD-Verhandlungen. Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, findet Scholz' Zurückhaltung "peinlich": "Auch Deutschland muss sich endlich mit vollem Nachdruck für Steuergerechtigkeit in Europa einsetzen."