Neue Regelung:Verwechslungsgefahr bei der Schufa

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  • Durch die neue EU-Verordnung könnten schon bald wichtige Vorschriften zum Datenschutz zurückgedreht werden.
  • Dann wäre es möglich, dass beispielsweise Mahnungen in das Ranking der Schufa einfließen, obwohl diese angefochten wurden.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Dass etwas schiefgelaufen ist, merkt Vera Schulz erst, als die Deutsche Bank anruft. Ob sie ihren Kredit noch zahlen könne, will ihr Bankberater wissen. Nachdem sie nun ja insolvent sei, solle man noch einmal über die Kredite verhandeln. Schulz ist überrascht. Kurz darauf meldet sich auch die Münchner Hypothekenbank. Ihr Haus in Mecklenburg-Vorpommern sei noch nicht abbezahlt. Man mache sich nun Sorgen. Erst eine Auskunft der Schufa-Bonitätsprüfung klärt auf, was sie schon ahnte: Vera Schulz, die in Wirklichkeit anders heißt, wurde verwechselt. Mehrere Negativeinträge inklusive Privatinsolvenz hat die Auskunftei gelistet. Nichts davon stimmt, die Schufa muss sich korrigieren.

Für Immobiliengesellschaften, Kreditvermittlungen, Banken und viele Unternehmen sind die Schufa und andere Auskunfteien ein maßgebliches Instrument, um ihre Kunden einzuschätzen. Genauso wichtig ist es für Bürger, dass die Einträge, die diese privaten Dienstleister über sie sammeln, korrekt sind. Vor sechs Jahren hatte die Bundesregierung deshalb die Regeln für Auskunfteien im Bundesdatenschutzgesetz verschärft. Doch die neue EU-Datenschutzverordnung, die Deutschland bis Mitte 2018 umsetzen muss, könnte diese Vorschriften wieder zurückdrehen. Davor warnt nun der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller: Es drohe ein "massiver rechtlicher Rückschritt".

Dubiose Rechnungen

So sei es künftig wieder möglich, dass selbst solche unbezahlten Rechnungen und Mahnungen in den Datensatz der Auskunfteien einfließen, die der Betroffene angefochten hat. Die Verbraucherschützer befürchten, dass Kunden auf diese Weise unter Druck gesetzt werden könnten und sich aus Angst vor einem schlechten Schufa-Eintrag nicht mehr gegen überzogene Forderungen wehren. Dies könnte Firmen helfen, dubiose Rechnungen zu stellen. Im schlimmsten Fall, heißt es in einer Analyse der Verbraucherzentrale, müssten sich so betrogene Bürger erst "mit einer Vielzahl von einstweiligen Anordnungen gegen den Anbieter und alle in Betracht kommenden Auskunfteien wehren".

Zudem bietet die EU-Datenschutzverordnung laschere Regeln für die Nutzung von Adressdaten für die Prüfung der Kreditwürdigkeit. Das aktuelle Bundesdatenschutzgesetz verbietet, allein den Wohnort für die Bewertung eines Kunden zu nutzen. Bevor dieses Verbot 2010 in Kraft trat, hatten Forscher des Berliner Instituts für Grundlagen- und Programmforschung zusammen mit dem schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten im Auftrag der Bundesregierung untersucht, welche Gefahren aus der Tätigkeit der Bonitätsprüfungen für Verbraucher entstehen können. Sie hatten damals vor dem Phänomen des sogenannten "Redlining" gewarnt: Sobald das Wohnumfeld des Betroffenen als Grundlage für dessen Kreditwürdigkeit dient, könnte eine ganze Nachbarschaft in "Sippenhaft" genommen werden. Dies bedeute eine "Vorverurteilung ganzer Stadtteile".

Für den "Identitätsschutz" braucht man bei der Schufa das Premium-Produkt

Heute warnt die Verbraucherzentrale wieder vor einer "strukturellen Ausgrenzung bestimmter Personengruppen". Allerdings macht Finanzreferent Frank-Christian Pauli darauf aufmerksam, dass Auskunfteien schon mit der geltenden Gesetzeslage den Wohnort nutzen können, sobald sie nur ein weiteres Kriterium hinzuziehen - das Geschlecht oder das Alter zum Beispiel. Eine Schufa-Sprecherin sagt, eine solche Bewertung erfolge nur in 0,3 Prozent aller Fälle. Andere Auskunfteien nutzten dieses Instrument allerdings häufiger. Die Schufa veröffentlicht unterdessen regelmäßig einen "Privatverschuldungsindex", in der sie Kreise und kreisfreie Städte nach der Verschuldung ihrer Bewohner sortiert.

Bislang hat jeder ein Recht darauf, die Daten, die Auskunfteien über ihn erhoben haben, einzusehen. Einmal im Jahr müssen die Firmen kostenlos angeben, wie sie die Kreditwürdigkeit prognostizieren. Sogenannte Wahrscheinlichkeitswerte geben an, wie hoch das Unternehmen das Risiko einschätzt, dass ein Kunde seine Rechnungen nicht zahlen kann. Beim Bundesverfassungsgericht ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem geklärt werden soll, ob Bürger auch erfahren dürfen, nach welchem Verfahren diese Werte errechnet werden. Mit Umsetzung der neuen Datenschutzverordnung könnten selbst die bisherigen Auskünfte an Wert verlieren. Laut der Analyse müssen hier Wahrscheinlichkeitswerte nicht mehr genannt werden.

Ob die Schufa diese Selbstauskünfte tatsächlich abschafft, bleibt abzuwarten. Bisher sind sie ein gutes Geschäft. Hätte Vera Schulz ein Premium-Paket für knapp sieben Euro im Monat gebucht - vielleicht wäre ihr die Verwechslung schneller aufgefallen. Der Service beinhaltet auch "Identitätsschutz".

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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