Neue Anschuldigungen in Schmiergeldaffäre:Spuren bei Siemens führen in die Konzernspitze

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Der Staatsanwaltschaft liegen nach der Verhaftung des ehemaligen Siemens-Vorstandes Ganswindt Hinweise vor, denen zufolge auch andere Mitglieder der Konzernspitze vom System schwarzer Kassen gewusst haben sollen.

Markus Balser, Karl-Heinz Büschemann und Klaus Ott

Mehrere Beschuldigte haben nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei ihren Geständnissen neben dem am Montag verhafteten früheren Zentralvorstand Ganswindt auch die Namen anderer Spitzenmanager genannt, die von Schwarzgeldkonten oder sogar von Korruptionsvorgängen gewusst haben sollen.

Ein Mann läuft am Siemens-Forum in München vorbei: In der Korruptionsaffäre bei dem Konzern gerät inzwischen die Konzernspitze unter Druck. (Foto: Foto: AP)

Entsprechende Angaben machte inzwischen auch Michael Kutschenreuter, der frühere Finanzvorstand der Sparte Telekommunikation (Com). Kutschenreuter hatte nach seiner Verhaftung Mitte November drei Wochen lang geschwiegen, seit Ende vergangener Woche sagt er umfassend aus.

Drohung

Er soll gegenüber der Staatsanwaltschaft München unter anderem erklärt haben, ein früherer Geschäftspartner aus Saudi-Arabien habe Siemens gedroht, er lege der US-Börsenaufsicht SEC Unterlagen über illegale Provisionszahlungen vor, falls er nach einer von dem Konzern ausgesprochenen Kündigung seines Handelsvertretervertrages nicht großzügig entschädigt werde. Darüber habe er, Kutschenreuter, die Konzernspitze informiert.

Der Firma dieses früheren Geschäftspartners hatte Siemens Anfang 2005 38 Millionen Euro gezahlt. Der Konzern erklärte auf Anfrage, das sei ein völlig sauberer Vorgang gewesen, die Anschuldigungen von Kutschenreuter seien ,,unhaltbar''.

Schadenersatz verlangt

Dieser ehemalige Geschäftspartner habe nach einer im November 2000 ausgesprochenen vorzeitigen Kündigung seines bis Oktober 2003 datierten Vertrages 910 Millionen Dollar Schadenersatz verlangt.

In einem Verfahren vor dem Königlichen Schiedsgericht in Saudi-Arabien und nach Einschaltung eines Vermittlers sei ein Betrag von 38 Millionen Euro festgelegt worden. Wegen der Höhe des Betrages sei der Zentralvorstand darüber informiert gewesen. Es gebe keine dunklen Hintergründe.

Die Führungsspitze von Siemens bereitet sich in der Affäre offenbar bereits darauf vor, selbst in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu geraten und sicherte sich die Hilfe prominenter Strafverteidiger.

Kleinfeld gewinnt Ackermann-Verteidiger

Konzernchef Klaus Kleinfeld hat den Strafrechtler Klaus Volk gewonnen. Volk war im Mannesmann-Verfahren Verteidiger von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann.

Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer werde von Sven Thomas beraten, der im Verfahren um die Millionenabfindungen bei Mannesmann den ehemaligen Konzernchef Klaus Esser vertreten habe. Das bestätigte ein Siemens-Sprecher am Mittwoch.

Von Pierer unter Druck

Im Aufsichtsrat wächst derweil die Unzufriedenheit über die Aufklärung des Skandals. Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer gerät zunehmend unter Druck.

Er müsse zurücktreten, um eine lückenlose Aufklärung zu ermöglichen, forderten zwei Aufsichtsratstmitglieder im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Nach dem Eingeständnis fragwürdiger Zahlungen von fast einer halben Milliarde Euro sei Pierer nicht mehr zu halten, sagte ein Aufsichtsrat. Die Masse dubioser Belege zeige, dass das Kontrollsystem des Weltkonzerns nur Provinzniveau gehabt habe.

Konsequenzen gefordert

Es sei dem damaligen Vorstandschef nicht gelungen, ein funktionierende Kontrollen aufzubauen. Daraus müsse Pierer Konsequenzen ziehen.

Auch die Verhaftung des ehemaligen Zentralvorstands Thomas Ganswindt löste im Gremium Unruhe aus. Ganswindt habe als Vertrauter und Zögling Pierers gegolten, sagte ein weiteres Mitglied.

Um Interessenskonflikte zu vermeiden, müsse sich Pierer aus der Aufarbeitung der Affäre zurückziehen. Aufsichtsrat Gerhard Cromme soll einem Zeugen zufolge über die Vorgänge bei Siemens gesagt haben: ,,Ich glaube nichts mehr, ich will wissen, was bei Siemens passiert ist''.

© SZ vom 14.12.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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