Nahaufnahme:Zurück nach Hause

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Der Chef der ING-Diba, Roland Boekhout, wird befördert und kehrt dafür in die Niederlande heim. Er hinterlässt eine Bank, der es besser geht als vielen Konkurrenten.

Von Meike Schreiber

Als Kind liebte es Roland Boekhout, auf der Wiese zu liegen, den Flugzeugen nachzuschauen und sich fortzuträumen in fremde Länder. Etwas von dieser kindlichen Verspieltheit hat sich der Chef der Direktbank ING-Diba bis heute bewahrt: Auf seinem Smartphone hat der Niederländer eine App installiert, mit der sich der Linienflugverkehr verfolgen lässt. Und er scheut sich nicht, Besuchern seine neueste Errungenschaft zu demonstrieren. "Hier, dieser Lufthansa-Flieger!", bricht es dann vergnügt und mit leicht niederländischem Akzent aus Boekhout heraus. "Ich kann sehen, wie schnell der fliegt, das ist unglaublich. Ich verstehe gar nicht, dass das möglich ist".

Für ihn selbst geht die Reise nun zurück in die Niederlande. Fast sieben Jahre lang stand Boekhout an der Spitze der ING-Diba. Mit acht Millionen Privatkunden und fast 4000 Mitarbeitern ist die Deutschland-Tochter des niederländischen Bankkonzerns ING eines der größten Geldhäuser hierzulande. Nach landläufiger Wahrnehmung hat der 53-Jährige einen guten Job gemacht, weswegen er nun in den Konzernvorstand aufrückt. Dort ist er künftig für das Bankgeschäft in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg zuständig. Sein Nachfolger, der 51-jährige Niederländer Nick Jue, übernimmt am 8. Mai die Führung. Wie Boekhout hat auch er fast seine ganze Karriere im ING-Konzern verbracht.

Tatsächlich kann die ING-Diba heute Zahlen vorweisen, von denen viele andere Banken nur träumen. Unter Boekhouts Obhut ist das Geldhaus, das bereits seit 2003 zu den Niederländern gehört, kräftig gewachsen: Das Ergebnis vor Steuern verdoppelte sich seit 2010 auf 1,2 Milliarden Euro. Auch die Bilanzsumme - also das Geschäftsvolumen - wuchs kräftig an. Auf Branchenkonferenzen gibt sich Boekhout stets entspannt. Während Deutschbanker und Sparkässler dort zumeist lautstark über Mario Draghis Zinspolitik und die strenge Regulierung klagen, verweist Boekhout lässig auf sein Geschäftsmodell, das trotz Nullzinsen immer noch steigende Gewinne abwerfe. Reihum mögen die Wettbewerber die Gebühren erhöhen, Boekhout aber kann nach wie vor am kostenlosen Girokonto festhalten - einem seiner wichtigsten Versprechen. "Zu uns kamen zuletzt sehr viele Kunden der Postbank", sagte Boekhout erst jüngst, sehr zum Ärger der Bonner Konkurrenz, wo sie gerade die Preise erhöht hatten. Sein Haus profitiere eben davon, dass sich "andere Banken bei Kunden weniger beliebt" gemacht hätten.

Solche Sprüche kann sich nicht jeder erlauben: Kaum eine andere Bank in Deutschland aber ist so gnadenlos auf Effizienz getrimmt wie die ING-Diba, mag sie noch so harmlos daherkommen mit ihrem "Dibadibadu"-Werbespruch und dem fröhlichen Orange. Das liegt nicht allein daran, dass sie als reine Online-Bank kein Filialnetz unterhalten muss. Das liegt auch daran, dass sie ihre "Prozesse", wie Unternehmensberater Abläufe in Firmen nennen, so gut im Griff hat wie kaum einer. Wer die Konzernzentrale am Rande der Frankfurter City betritt, in der Boekhout die Bank 2013 untergebracht hat, spürt das bereits in der Eingangshalle. Im Vergleich zu den Banktürmen im Zentrum strahlt sie eher den Charme einer Krankenkasse aus. Macht der Erfolg nicht auch träge? Boekhout, Vater von vier Kindern, ist sich dieser Gefahr bewusst. Auch die ING-Diba operiert nicht losgelöst von den schwierigen Rahmenbedingungen des Bankgeschäfts. Außerdem warten Finanz-Start-ups nur darauf, dem Establishment das Geschäft streitig zu machen, so wie es die ING-Diba in der Frühzeit des Online-Banking vorgemacht hat. "Es muss immer klar sein: Wir dürfen uns nicht zu sicher sein", rief er seinen Führungskräften daher unlängst zu. Im Zweifel müsse man jederzeit "die halbe Bank umbauen".

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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