Nahaufnahme:Wo ich bin, ist oben

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Marianne Heiß: „Ein Leben im Standby-Modus wäre nichts für mich. Ich brauche Erfüllung in einer beruflichen Aufgabe, nicht nur in der Familie.“ (Foto: oh)

Marianne Heiß wird Chefin der Werbeagentur BBDO. Die Österreicherin scheut die Verantwortung nicht - auch wenn der Job mühsam werden könnte.

Von Angelika Slavik

In der Werbebranche hat man üblicherweise mit zwei verschiedenen Managertypen zu tun. Da sind, Variante eins, die Diplomaten. Sie betonen ständig, wie harmonisch alles sei. Dass man dieses oder jenes als Team erreicht habe. Dass es nicht den Hauch einer Unstimmigkeit gebe mit dem geschassten Vorgänger. Und dass man sich übrigens immer an den Wünschen des Kunden orientiere. Solche Sachen eben.

Und dann gibt es, Variante zwei, die Egozentriker. Sie reden furchtbar gerne über sich selbst. Sie lieben Disharmonie. Sie machen nie ein Hehl aus ihrer Lust an der Macht und sie führen immer gegen irgendwen Krieg: Kollegen, Eigentümer oder Jurys, die sie bei irgendwelchen Preisen nicht berücksichtigt haben. Sie sind anstrengend, aber oft haftet ihnen auch etwas Geniales an - deshalb ist die Zahl ihrer Bewunderer oft größer als die ihrer Kritiker.

An Marianne Heiß, und das ist ungewöhnlich, kann man Züge beider Typen entdecken. Das kommt ihr bei ihrem neuen Job vielleicht entgegen, denn der wird ihr eine Menge unterschiedlicher Qualitäten abverlangen: Heiß, 46, Österreicherin, wird Deutschland-Chefin der Werbeagentur BBDO, eine der größten der Welt.

Das ist ein komplizierter Job. BBDO ist eine sogenannte Netzwerk-Agentur, gehört also zu einer der großen internationalen Werbeholdings, die in vielen Ländern mit verschiedenen Agenturmarken vertreten sind. Im Fall von BBDO ist das Omnicom. Für den Chefposten bei BBDO bedeutet das, dass man sich ständig an vergleichbaren Agenturen aus dem gleichen Netzwerk messen lassen muss. Und dass es da eine höhere Macht in New York gibt, die bisweilen gerne mitreden möchte - in einem Ausmaß, das gerade bei Omnicom stark schwankt und deshalb schwer vorhersehbar ist. Dass der Job an der Spitze von BBDO nun freigeworden ist, soll auch genau daran liegen: Die beiden bisherigen Chefs, heißt es, hätten keine Lust mehr auf einen ständig schrumpfenden Entscheidungsspielraum gehabt. Klingt dieser Job also nicht wahnsinnig mühsam?

Heiß sagt, da ist sie ganz Diplomatin, sie habe nicht lange gezögert, als ihr der neue Job angeboten worden sei. Tatsächlich weiß sie, worauf sie sich einlässt: Sie arbeitet seit 23 Jahren in unterschiedlichen Positionen in der Gruppe, in den vergangenen sechs Jahren war sie Finanzvorstand. Ihre Karriere habe sie nicht geplant, sagt Heiß. Aber klar, man müsse den Erfolg auch wollen. "Ich denke schon, dass ich anderen Frauen ein Beispiel sein kann. Ich war immer bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Chancen, die sich mir geboten haben, habe ich ergriffen. Das waren dann auch Führungspositionen."

Tatsächlich war Heiß nicht nur bei BBDO rührig. Ein Leben "im Stand-by-Modus" sei nie ihr Ziel gewesen, sagt sie. Heiß gilt als ambitionierte Netzwerkerin. Sie suchte die Öffentlichkeit, schrieb eine Zeit lang eine Kolumne im Handelsblatt und ein Buch über Frauen in Top-Jobs. Seit 2018 ist sie zudem Aufsichtsrätin beim Volkswagen-Konzern. Eine Position, die viel Prestige bringt, viele Kontakte - und eine komplizierte Konstellation: Denn einer der wichtigsten Kunden bei BBDO ist ausgerechnet der VW-Konkurrent Ford.

Heiß - verheiratet, keine Kinder - hat ihren Lebensmittelpunkt in Wien, sie pendelt schon seit vielen Jahren immer am Wochenende nach Österreich. Auch ihren Mitarbeitern will sie das möglich machen. Nur mit Flexibilität könne man die besten Leute gewinnen, glaubt Heiß. Was andere anstrengend fänden, sei für sie persönlich optimal: die volle Fokussierung auf die Arbeit während der Woche und auf das Privatleben am Wochenende. "Die Leute denken oft, ich hätte für die Karriere große Opfer gebracht. Aber ich mag es einfach, unterwegs zu sein."

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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