Nahaufnahme:Wieder zu Hause

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Helmar Rendez wird als Chef des neuen Unternehmens LEAG Herr über die Braunkohle der Lausitz. Für den Wirtschaftsingenieur schließt sich damit in mehrerlei Hinsicht ein Kreis.

Von Michael Bauchmüller

An der Vision, der Helmar Rendez seinen neuen Job verdankt, hat er selbst mitgeschrieben. Gut acht Jahre ist es her, da entstand in der Unternehmenszentrale von Vattenfall in Stockholm eine neue Strategie, sie hieß: Making electricity clean - den Strom sauber machen. Rendez, ein eingefleischter Berliner, saß seinerzeit im Konzernvorstand in Stockholm, zuständig für, was sonst, Strategie. Dass ihn die saubere Idee acht Jahre später derart einholen würde, das konnte damals keiner ahnen.

Die ganze Geschichte geht, kurz erzählt, so: Mit der neuen Strategie geriet Vattenfall später in arge Erklärungsnot, was das Geschäft in Deutschland anging. Schließlich waren die Schweden hierzulande der zweitgrößte Erzeuger von Braunkohlestrom, Betreiber von riesigen Baggern in riesigen Tagebauen. Ohne eine Antwort auf deren Klimaproblem war es mit der clean electricity nicht weit her. 2014 entschloss sich der Konzern zum Schlussstrich, leierte den Verkauf an. Und hier kommt Helmar Rendez wieder ins Spiel.

An diesem Mittwoch wurde beim Amtsgericht Cottbus ein neues Unternehmen eingetragen: die "Leag". So soll künftig abgekürzt heißen, was bisher die Vattenfall-Töchter für Braunkohlekraftwerke und -tagebaue waren: die "Lausitz Energie Bergbau AG" und die "Lausitz Energie Kraftwerke AG". Ihr Vorstandschef: Helmar Rendez, 54. Derjenige, der bei Vattenfall einst die Abkehr von der klimaschädlichen Stromerzeugung mit ersann, führt nun die Braunkohle weiter. Nur nicht mehr für die Schweden, sondern für Tschechen. Ende September übernahm der tschechische Investor EPH die bei Vattenfall so ungeliebte Sparte.

Für Rendez schließt sich damit in mehrerer Hinsicht ein Kreis. Zum einen, weil sich der promovierte Wirtschaftsingenieur schon im Studium mit Kraftwerken beschäftigte und das nun als Vorstandschef darf. Zum anderen, weil seine Karriere in der Energiewirtschaft 1998 bei der Veag begann - jenem Sammelbecken der einstigen DDR-Kohlekraft, das Vattenfall später übernehmen sollte. Viele der Kraftwerke betreut er nun wieder, nebst Tagebauen und 8000 Beschäftigten. "Das ist für mich wie nach Hause kommen", sagt er.

Nur haben sich die Zeiten geändert. Das macht die Sache für Rendez, zwischenzeitlich durch diverse Führungspositionen bei Vattenfall gestählt, nicht leichter. Galt die Braunkohle Ende der Neunziger noch als unverzichtbar, ist sie heute vielen lästig, der Emissionen wegen. Auch die Leag wird sich darauf einstellen müssen, Kraftwerksblöcke zu verlieren, etwa die des DDR-Werks Jänschwalde. Jede Erweiterung eines Tagebaus wird zum Politikum. "Früher war die Braunkohle ein sicherer Hafen", sagt auch Jan Špringl, Vorstand des Investors EPH. "Das gilt heute nicht mehr."

Neben der Zukunft der Braunkohle ist der Eigentümer EPH das andere größere Risiko, mit dem Rendez umgehen muss. Das Unternehmen gibt es erst seit 2009, auch bei der mitteldeutschen Braunkohlefirma Mibrag stieg es ein. Nicht wenige vermuten, dass das Engagement nur befristet ist. Die Investoren könnten sich aus dem Staub machen, wenn kein Geld mehr zu verdienen ist - dafür aber milliardenschwere Altlasten beseitigt werden wollen.

Rendez lässt derlei Zweifel gar nicht erst aufkeimen. "Das ist kein 400-Meter-Lauf, den wir hier machen, sondern ein Marathon", sagt er, selbst ein Ausdauersportler. "Wir brauchen eine langfristige Perspektive für diese Region." Schließlich ist sie auch das "L" in Leag, wird das Unternehmen komplett von Cottbus aus geführt.

Eine "Leag" gibt es übrigens auch in den USA - eine Nasa-Tochter, die sich mit der Erkundung des Mondes befasst. Selbst insofern passt der Name: Mondlandschaften lässt die Tagebau-Leag ja auch in der Lausitz entstehen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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