Nahaufnahme:Vorname: selbstverliebt

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Millionär Chen wäre so gern ein Wohltäter. Er nennt sich "Chinas Maßstab für Ehrlichkeit". Daran gibt es nun Zweifel, ja sogar den Vorwurf: der Mann sei ein Schwindler.

Von Kai Strittmatter

Der Unternehmer Chen Guangbiao ist ein bemerkenswerter Mann, so viel steht fest. Außerdem ist er ein "nationales Vorbild an Moral", "Chinas Maßstab für Ehrlichkeit", "Asiens größter Wohltäter". All das sagt Chen Guangbiao über Chen Guangbiao. Unbestritten: Er ist der Inhaber der berühmtesten Visitenkarte Chinas. "Erdbebenrettungsheld", steht auf der, "Meistgeliebtes Vorbild", und: "einflussreichste Person Chinas".

Eigentlich ist der 48 Jahre alte Chen Unternehmer. In der Recyclingbranche. Er recycelt Bauschutt. Damit wurde er einer der reichsten Männer Chinas, sein Vermögen wird auf mehrere Hundert Millionen Dollar geschätzt. Aber das genügte dem Sohn einer armen Bauernfamilie aus der Provinz Jiangsu nie wirklich. Er steht gern im Rampenlicht. Für die gute Sache natürlich, die Umwelt zum Beispiel, schließlich ist er auch "Chinas Umweltschützer Nummer eins".

Chen Guangbiao ist stolz darauf, selbst Urheber aller seiner PR-Einfälle zu sein. Einmal legte er sich unter eine Stahlplatte und ließ sich von Autos überfahren. Werbung fürs Radfahren sollte das sein, sagte er damals. Auf dem Höhepunkt der Smog-Katastrophe von 2013 ließ er Luft in Dosen verkaufen. Abgefüllt angeblich in alten Revolutionsgebieten, das Etikett beschriftet: "Chen Guangbiao - guter Kerl". Oder jenes eine Mal, als er sagte, seine ganze Familie habe aus Umweltschutzgründen ihre Namen ändern lassen. Seine Frau hieß mit einem Mal Zhang Lüse (Grün Zhang), er selbst Chen Ditan: "Niedriger Kohlenstoff Chen". In der Öffentlichkeit benutzte er dann doch lieber weiter seinen alten Namen. Mit dem war er 2008 über Nacht bekannt geworden. Damals beim Erdbeben in Sichuan, als er persönlich am Ort Überlebenden Bündel von Bargeld aushändigte und nach Opfern grub. Seither ist er "Chinas charismatischster Wohltäter".

Im Westen machte Chen erstmals Ende 2013 Schlagzeilen. Da kündigte er an, als guter Patriot die New York Times kaufen zu wollen. Damit die nicht immer China schlechtmacht. Die Times ging dann allerdings nicht auf die Offerte ein. Im Juni 2014 landete er noch einmal in New York, diesmal hatte er Bargeld für 1000 Obdachlose mitgebracht. 300 Dollar sollte jeder erhalten, zuvor aber sollten sie singen: Zuerst die alte maoistische Hymne "Lernt vom guten Modellsoldaten Lei Feng". Und dann Michael Jacksons "We are the world". So kam er doch noch in die New York Times: Er kündigte die gute Tat dort in einer ganzseitigen Anzeige an. Die Aktion endete im Tumult und in Beschimpfungen durch erwartungsvolle Obdachlose, als es mit einem Mal hieß, es gebe doch kein Bargeld für sie, dafür eine Spende fürs Obdachlosenheim.

Der New York Times sagte Chen einmal, er habe anders als seine Millionärs- und Milliardärskollegen nie Beamte bestochen und nie die Umwelt verschmutzt, um reich zu werden. Kritiker, die gern wissen wollten, woher denn sein Geld und seine Aufträge kämen, beschied er: "Die Quellen meiner Einkünfte gehen niemanden etwas an."

Nun veröffentlichte Chinas bestes Wirtschaftsmagazin Caixin ein Exposé, in dem Chen unter anderem manipulative Buchführung und Dokumentenfälschung vorgeworfen wird. Außerdem habe Chen weit weniger gespendet als er immer behauptet, schreibt Caixin. Mit einem Mal steht "Chinas ehrenwertester Freiwilliger" (Visitenkarte) als Schwindler da. Das Hongkonger Economic Journal munkelt, Chen habe im vergangenen Jahrzehnt mit den falschen Parteiführern angebandelt: Leute, die gerade Säuberungen zum Opfer fielen. Nun lasse die KP auch Chen fallen. Bestätigt ist das noch nicht. Chen hat gerade Klage eingereicht gegen Caixin, wegen Verleumdung.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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