Nahaufnahme:Ungebremst

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Klaus Deller: „Warum hängt man Busse nicht an die Oberleitung?“ (Foto: Corinna Guthknecht)

Knorr-Bremse-Chef Deller hat Pläne für die Zukunft. Dabei geht es nicht nur um Systeme für Schienen- und Nutzfahrzeuge oder autonomes Fahren für Lkws.

Von Dieter Sürig, München

Klaus Deller ist ein Konzernchef, der auch in der Freizeit täglich mit seinen Produkten konfrontiert wird: Egal, wo er weltweit unterwegs ist - gebremst wird immer. Und sein Unternehmen Knorr-Bremse ist rund um den Globus mit hohen Marktanteilen dabei, zumindest bei Nutz- und Schienenfahrzeugen. Schon wenn der 56-jährige Manager aus dem Fenster seiner Wohnung an einer Schwabinger Hauptverkehrsstraße blickt, schaut er auf eine Trambahntrasse, die auch von städtischen Linienbussen genutzt wird. Wieso, fragt er sich dann, können die Busse nicht mit einem Stromabnehmer ausgestattet und zumindest auf der Trasse mit Strom gespeist werden? "Warum hängt man Busse nicht an die Oberleitung?" Deller wundert sich dann, dass solche nahe liegenden Lösungen in Zeiten des Klimaschutzes nicht umgesetzt werden.

Dass der Klimaschutz dem zweifachen Vater ein Herzensanliegen ist, daraus macht er bei der Jahrespressekonferenz keinen Hehl. Wobei er davor warnt, die CO₂- und Feinstaubprobleme mit Ideologien lösen zu wollen: "Lassen Sie uns die Diskussion technologieoffen führen". Was nicht viele wissen: Auch Knorr-Bremse ist in dem Bereich aktiv, stattet beispielsweise Busse mit sogenanntem In-Motion-Charging aus, deren Batterien können also während der Fahrt geladen werden. Angesichts verstopfter Straßen in den Metropolen sieht Deller hier großes Potenzial.

Die größten Erlöse stammen aber aus den Kernfeldern, nämlich der beiden Bereiche Schienen- und Nutzfahrzeuge, die weiterhin wachsen. "Der Abschwung will einfach nicht kommen", sagte Deller etwas übermütig zum Nutzfahrzeugmarkt. Knapp fünf Monate nach dem Börsengang legte er am Donnerstag komfortable vorläufige Zahlen hin: Der Konzernumsatz ist demnach im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro gewachsen, erhofft hatte man sich bis zu 6,7 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg um 5,6 Prozent auf 1,18 Milliarden Euro. Und auch der Jahresstart sei "gelungen". Trotz der Handelskonflikte und des Brexit sei er "durchweg positiv" gestimmt. Für 2019 erwartet Deller, dass der Umsatz sieben Milliarden Euro erreichen könnte.

Der Knorr-Bremse-Chef betonte, dass sein Konzern trotz der Unsicherheit in der Branche am autonomen Fahren festhalten werde. Im Gegensatz zu Privatfahrzeugen zahle sich dies bei Lkw sofort aus. "Im Nutzfahrzeug ersetzt autonomes Fahren am Ende den Fahrer", sagte Deller. Unternehmen könnten so 30 bis 35 Prozent der Betriebskosten eines Lastwagens sparen und die Lenkzeiten ausweiten.

Dass die Knorr-Bremse-Aktie zum 18. März in den MDax aufgenommen wird, begrüßte Deller, "da fühlen wir uns sehr wohl". Nicht so behaglich ist mehreren Dutzend Beschäftigten aus dem nordrhein-westfälischen Wülfrath, die in München vor dem Werkstor protestierten. In Wülfrath bauen 344 Mitarbeiter Lenksysteme für Nutzfahrzeuge und Pkw. Sie fürchten, dass der Konzern den Bereich nach der Übernahme der japanischen Hitachi-Lenksystemsparte nach Asien verlagern könnte. Deller gibt sich auch bei solchen Themen jovial. Dass die Mitarbeiter demonstrierten, "ist ihr gutes Recht". Es gebe mehrere Optionen für Wülfrath, zumal ein Pkw-Auftrag von Ford weggebrochen sei. "Langfristig werden wir nicht einen Unternehmensteil durch einen anderen subventionieren", stellte er klar. Es gebe Gespräche mit den Mitarbeitern, "das werden wir uns nicht leicht machen". Deller wies die Kritik der IG Metall zurück, dass Knorr-Bremse als einziges MDax-Unternehmen keine Tarifbindung habe. Man habe erst einen Dreijahresvertrag abgeschlossen - "weit oberhalb des Metalltarifs".

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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