Nahaufnahme:Seelenruhe

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Masako Mori: „Wenn der Angeklagte Ghosn etwas zu sagen hat in seiner Strafsache, sollte er dies vor einem japanischen Gericht mit konkreten Beweisen tun.“ (Foto: Behrouz Mehri/AFP)

Japans Justizministerin geht mit dem Fall Ghosn eher gelassen um. Masako Mori ist quasi die Gegenfigur zum lauten, wuchtigen Weltmann in diesem Wirtschaftskrimi.

Von Thomas Hahn

Besondere Anlässe erfordern besondere Pressekonferenzen. Deshalb war Japans Justizministerin Masako Mori in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gegen halb eins zur Stelle für einen ersten Kommentar zu den Anschuldigungen des in Japan angeklagten, flüchtigen Ex-Nissan-Chefs Carlos Ghosn. Und keine neun Stunden später gleich noch einmal im niedrigen Presseraum auf der 19. Etage ihrer Behörde im Tokioter Regierungsviertel Nagatacho. Sie wirkte bei beiden Anlässen frischer als die Japan-Fahne, die neben dem Redner-Pult matt von einer Stange hing. Sie sprach gelassen. Ganz anders als Ghosn zuvor, der bei seinem stundenlangen Auftritt in Beirut am Mittwochnachmittag seine Kritik an Japans "Geisel-Justiz" mit feurigem Temperament erneuert hatte.

Wenn der "Angeklagte Ghosn" etwas zu sagen habe, möge er das "in Rahmen des fairen japanischen Strafverfahrens tun", sagte sie in der Nacht. Ghosns Kritik sei "ohne Grundlage" und "nicht hinzunehmen", sagte sie am Morgen.

Masako Mori, 55, ist die japanische Gegenfigur zum lauten, wuchtigen Weltmann Ghosn in diesem Wirtschaftskrimi, in dem es der stolze Inselstaat mit einem besonders wehrhaften Widersacher zu tun hat. Sie ist zierlich, ruhig, feingliedrig, und sie füllt ihre Rolle als Verteidigerin der gescholtenen japanischen Justiz mit souveräner Freundlichkeit. Dabei ist Masako Mori erst im vergangenen Oktober ins Amt gespült worden, nachdem ihr Vorgänger wegen einer kleineren Wahlgeschenke-Affäre seinen Rücktritt erklärt hatte. Davor fiel sie im Tokioter Politikbetrieb eher wenig auf. Sie ist Anwältin. War einst eine erfolglose Kandidatin für den Gouverneursposten ihrer Heimatpräfektur Fukushima sowie ab 2007 Abgeordnete im Oberhaus. Als Parteisoldatin mit Jura-Kompetenz profilierte sie sich in der mittlerweile ziemlich rechtskonservativen Regierungspartei des Pemierministers Shinzo Abe. Zwischendurch diente sie als Ministerin für Spezialthemen wie sinkende Geburtenrate oder Verbraucherangelegenheiten.

Jetzt kann sie sich im Fernduell mit Ghosn profilieren. Oder?

Viel zu gewinnen gibt es gerade nicht für Japans Regierung. Auch die ausgeglichene Art der Justizministerin kann nicht davon ablenken, dass Ghosn gerade recht erfolgreich den japanischen Rechtsstaat entlarvt. Selbst Menschenrechtler kritisieren, dass er praktisch unbegrenzte Untersuchungshaft und überharte Kautionsauflagen vorsieht. Schon bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt zum Fall vor einigen Tagen, konnte sie deshalb nicht einfach nur die filmreife Flucht als Rechtsverstoß geißeln. Sie musste auch das japanische Rechtssystem verteidigen, das aus ihrer Sicht "angemessene Abläufe zur Wahrheitsfindung" vorsieht und "grundlegende Menschenrechte garantiert".

Außerdem ist sie die Ministerin, die letztlich zu verantworten hat, dass Ghosn nicht mehr unter der Knute des japanischen Staates auf seinen Prozess warten wollte und das Land an allen Kontrollen vorbei verließ. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen, und die Regierung reagiert mit Aktionen. Der Verkehrsminister hat erklärt, ab nächster Woche gebe es an den Flughäfen von Tokio, Nagoya und Osaka eine Kontrollpflicht für das Großgepäck von Privatflugzeug-Passagieren. Justizministerin Mori will wohl die Strafen für Kautionsflüchtlinge erhöhen. Das wirkt gerade alles ein bisschen hilflos.

Masako Mori lächelt. Sie zeigt kein Zeichen von Zorn. In Seelenruhe weist sie jeden Kritikpunkt von Ghosn zurück. Allerdings wirkt sie auch nicht besonders nachdenklich. Es ist, als hätte sie gar nicht verstanden, dass Japans Rechtssystem im Fall des Carlos Ghosn wie selten zuvor gescheitert ist.

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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