Nahaufnahme:Rabauke mit gutem Ruf

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Ralf Teckentrup: "Ich glaube, unsere Flugzeuge haben eine Seele. Sie wissen, dass sie jetzt keine Defekte haben dürfen." (Foto: Christian Christes/dpa)

Die Airline ist sein Lebenswerk: Nach der Pleite der Mutterfirma Thomas Cook kämpft Firmenchef Ralf Teckentrup um die Rettung von Condor. Ob die klappt, ist aber offen.

Von Jens Flottau

Nach einem guten Monat im Ausnahmezustand kann Ralf Teckentrup eine erste Zwischenbilanz ziehen. "Ich glaube, unsere Flugzeuge haben eine Seele. Sie wissen, dass sie jetzt keine Defekte haben dürfen und halten sich daran", scherzte der Chef der Fluggesellschaft Condor und fügte an, wer das Bedürfnis habe, abzunehmen, dem sei ein solches Schutzschirmverfahren, wie es Condor gerade durchlaufe, sehr zu empfehlen. Denn nach dem Kollaps der Mutterfirma Thomas Cook Ende September, den Condor mit einem Staatskredit überstand, hatte er über Wochen nur wenige Stunden Schlaf pro Nacht, musste jeden Tag existenzielle Entscheidungen treffen und durfte selbst nicht in Panik geraten.

Da Teckentrup aber gar nicht abnehmen will (und schon gar nicht muss), hat er Sachwalter Lucas Floether neulich zu dessen Erheiterung mitgeteilt, dass er sich künftig gerne mit ihm auf ein Bier treffen würde - ihn aber ansonsten möglichst bald verschwinden sehen will. Dass es eine sehr reelle Chance gibt, dass die Ferienfluggesellschaft Condor einen neuen Eigentümer findet und damit Floether nicht mehr braucht, hat nicht ausschließlich, aber sehr viel mit Teckentrup zu tun. Wenn man in der deutschen Luftfahrtindustrie eine Umfrage starten würde, wer der fähigste Airline-Manager sei, würde Tecke - so sein Spitzname - wohl mit großem Abstand auf Platz eins landen. Einst gefürchtet bei Konkurrenten und manch eingeschüchtertem Mitarbeiter, hat sich der 62-Jährige längst den Respekt der Kollegen erarbeitet und genießt sogar bei den Gewerkschaften hohes Ansehen.

Teckentrup ist der beste Chef, den Lufthansa nie hatte. So ist Condor sein Lebenswerk geworden. Die Geschichte mit ihm und der Airline geht mittlerweile über 15 Jahre. 2004 stand Condor, damals Teil der ein paar Jahre zuvor gegründeten Thomas Cook AG, schon einmal am Abgrund. Tourismuskrise, Managementfehler - der damalige Chef Stefan Pichler wollte sogar die Traditionsmarke Condor streichen - es sah nicht gut aus. Gefragt war ein Sanierer mit klarem Kopf, der sich wie beim Schach nicht nur den nächsten Zug, sondern auch die danach überlegen kann. Teckentrup war zuvor Bereichsvorstand für die Netzplanung bei Lufthansa, und damit für den Kern dessen zuständig, was eine Fluggesellschaft ausmacht: mit welchen Flugzeugen sie wann wie oft wohin fliegt. Auch die Art und Weise, wie er das Chaos nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gemanagt hat, nährte seinen guten Ruf. Dass er jedoch im Umgang mit Mitarbeitern als Rabauke galt, vor dem sich viele fürchteten, hat seiner Karriere bei Lufthansa damals nicht geholfen. Stattdessen schaffte später der geschmeidigere Carsten Spohr den Sprung ganz nach oben.

Teckentrup übernahm Condor und vollbrachte das Kunststück, die Airline über eineinhalb Jahrzehnte in den schwarzen Zahlen zu halten. Nur einmal, während der Türkei-Krise, hat es nicht geklappt. Obwohl er den Mitarbeitern teils viel abverlangte, hat es in der ganzen Zeit keinen einzigen Streik gegeben. Es gilt: klare Ansagen und keine Tricks. Tut manchmal weh, kommt aber an. Und zwischendurch ist er, so sagen Wegbegleiter, milder geworden.

Viele wunderten sich, dass Teckentrup trotz seiner Erfolge bei Condor nicht doch noch einmal zu einem größeren Unternehmen gewechselt ist. Wenn beim chronisch defizitären Lufthansa-Ableger Eurowings mal wieder das neueste Fiasko bekannt wurde, haben sich viele einen wie Teckentrup gewünscht, der Ahnung hat und sich durchzusetzen weiß. Es werden Träumereien bleiben, denn Lufthansa-Vorstände müssen mit 60 in Rente gehen. Und für einen wie Tecke ist Condor das perfekte Biotop. Er will es unter allen Umständen erhalten.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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