Nahaufnahme:Model wider Willen

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Amazon lehnte den Bewerber Jordan Guthmann nach dem Vorstellungsgespräch ab. Unfreiwillig wirbt er für den Konzern nun um die besten Talente.

Von Jürgen Schmieder

Jordan Guthmann: "Ich hatte vor ein paar Jahren ein Vorstellungsgespräch bei Amazon, bekam den Job jedoch nicht." (Foto: N/A)

Die Schildbürger haben sich ja allerhand Sachen einfallen lassen, die auf den ersten Blick recht klug erscheinen und dann doch arg töricht sind: Sie wollten zum Beispiel Licht in Eimern tragen, weil sie ein Rathaus ohne Fenster gebaut hatten. Sie rissen die Stadtmauer ein, um ihre Bäume quer durchs Tor tragen zu können. Und natürlich hatten sie die herrliche Idee, sich Klugheit in Form von Wasser im wahrsten Sinne des Wortes einzutrichtern - allerdings haben sie die durch Niesen gleich wieder verloren. Der Kaiser gewährte ihnen deshalb Narrenfreiheit, doch was nun dem Technikkonzern Amazon passiert ist, das hätten sich nicht einmal die Bewohner von Schilda ausdenken können: Sie haben einen Bewerber, den sie abgelehnt haben, zur Idealfigur eines Amazon-Mitarbeiters stilisiert.

"Ich hatte vor ein paar Jahren ein Vorstellungsgespräch bei Amazon, bekam den Job jedoch nicht", schrieb Jordan Guthmann kürzlich bei Twitter. Amazon-Mitarbeiter hätten währenddessen Fotos von den Gesprächen gemacht: "Diese liebe Person hat gefragt, ob sie denn auch ein Bild von mir machen dürfe. Ich habe gesagt: 'Klar, warum nicht?'" Drei Jahre später dann hätten ihn Freunde gefragt, ob er denn Model geworden sei oder warum in aller Welt er auf der Webseite für Stellenausschreibungen bei Amazon zu finden sei. Guthmann sah nach, und tatsächlich: "Da bin ich."

So warb Amazon um Bewerbungen. (Foto: Screenshot von Amazon)

Zu sehen ist ein junger Mann mit Ledertasche und Kaffeebecher, er unterhält sich angeregt mit zwei jungen Frauen - darunter steht: "Bei Amazon sind wir bei der Talentakquise auf der Suche nach Spitzenleistungen, wir legen die Latte sehr hoch." So hoch offensichtlich, dass sie den, der da abgebildet ist, nicht eingestellt haben. Guthmann nimmt es mit Humor. Er hat die Geschichte auf Twitter geschrieben und sie einigen Tech-Plattformen erzählt. Man muss sich keine Sorgen machen um ihn, er ist mittlerweile in leitender Funktion beim PR-Unternehmen Edelman.

Dennoch: Ein Konzern, der im vergangenen Jahr 232,9 Milliarden Dollar umgesetzt hat und an der Börse derzeit mit knapp 940 Milliarden Dollar bewertet wird, engagierte keine Models und fotografierte nicht einmal tatsächliche Mitarbeiter, sondern einen Abgelehnten. So was sorgt freilich für Spott in sozialen Netzwerken und den Hinweis, dass dies ein Schildbürgerstreich sei - oder womöglich das gehässigste, subtilste und von längster Hand geplante Nachtreten in der Geschichte von Vorstellungsgesprächen.

Es gab auch die durchaus berechtigte Frage, ob Amazon dieses Foto überhaupt legal verwendet habe, oder ob Guthmann nie wieder in seinem Leben für Lieferungen bezahlen müsse.

Guthmann sagt, er könne sich nicht daran erinnern, ob er damals eine Einwilligung unterzeichnet habe, er wolle weder Geld noch eine Entschuldigung. Er habe lediglich auf einen seiner Meinung nach lustigen Vorfall hinweisen wollen. Seinen Eintrag bei Twitter hat er mittlerweile gelöscht, der Rummel war ihm dann doch zu groß.

Das Unternehmen hat sich bislang nicht zu der Sache geäußert, das Bild jedoch ausgetauscht. Das Internet freilich vergisst nichts, das alte Bild ist noch an vielen Stellen dokumentiert. Andere haben den Quelltext der Amazon-Job-Seite analysiert und festgestellt, dass die Foto-Datei von Guthmanns Bild den Namen "TA_-_Image" trug und mittlerweile durch ein Foto mit dem Namen "Dawson_updated" ersetzt worden ist. Darauf ist ein junger Mann von hinten zu sehen, wie er sich mit einer jungen Frau unterhält.

Nun fahnden die Leute nach "Dawson". Sie wollen wissen, ob er tatsächlich so heißt. Und ob wenigstens er einen Job bei Amazon hat.

Dawson, bitte melde dich! (Foto: Screenshot von Amazon)
© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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