Nahaufnahme:Mittendrin im Autoland

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„Der Kuchen hier wird gerade nicht größer. Wenn wir wachsen wollen, müssen wir von den Tellern der anderen essen.“ David Gagliardi, Pininfarina-Deutschlandchef. (Foto: OH)

David Gagliardi, Deutschlandchef der Designfirma Pininfarina, hat große Pläne, und dabei geht es nicht nur um die Autobranche.

Von Thomas Fromm

Die Gegend rund um den Frankfurter Ring im Münchner Norden ist eigentlich die perfekte Location für David Gagliardi. Hier, nicht weit entfernt vom Olympiapark, sitzt er quasi mittendrin in der deutschen Automobilszene: Der Stadtteil Milbertshofen ist BMW-Land, die Autofabriken des bayerischen Herstellers sind nur einen Steinwurf entfernt, daneben haben sich große Autohäuser und Zulieferer niedergelassen. Für den Deutschlandchef des italienischen Design- und Karosseriebau-Unternehmens Pininfarina ist dieses Umfeld nicht ganz unwichtig. "Der Markt ist nicht woanders, der Markt ist hier", sagt der 46-jährige Italiener. "Wenn Sie sich hier mal umschauen - es sind alle da. Daimler, Audi, BMW. 80 Prozent unseres Umsatzes etwa kommt heute von BMW." Was natürlich nicht bedeute, dass man nicht auch für alle anderen arbeite.

Pininfarina, das ist eine der drei großen alten norditalienischen Designschmieden. Drei Traditionsfirmen, drei sehr unterschiedliche Wege: Bertone, der Designer von Klassikern wie dem Alfa Romeo Coupé - seit 2014 pleite. Italdesign Giugiaro - gehört schon seit einigen Jahren zum VW-Konzern. Und Pininfarina hat mit dem Mahindra-Konzern heute einen indischen Großaktionär. 650 Mitarbeiter hat das Unternehmen, 250 davon im Autoland Deutschland. Man kann es wohl so sagen: Am Standort München entscheidet sich vieles für das im Jahre 1930 als Carrozzeria Pinin Fariná gegründete Unternehmen.

Gagliardi rechnet für dieses Jahr mit einem Deutschland-Umsatz von knapp unter 25 Millionen Euro, ein Betrag, den er in den nächsten drei Jahren verdoppeln will. "Wenn wir als Pininfarina in Deutschland klein bleiben und nur als kleines Büro agieren, haben wir keine Zukunft", glaubt er. "Deshalb denken wir auch an Akquisitionen von kleineren Unternehmen mit innovativen Zukunftstechnologien." Natürlich sind die Zeiten für solche Pläne nicht gerade ideal. Die erfolgsverwöhnte Vorzeigebranche schlittert gerade in eine veritable Krise, die Investitionen in die Elektromobilität sind hoch, und der Kuchen werde "gerade nicht größer. Wenn wir wachsen wollen, müssen wir von den Tellern der anderen essen", sagt Gagliardi. Was man durchaus als Kampfansage verstehen kann.

An der Wand seines Büros hängen die Bilder seiner Kinder, und als er selbst noch jung war, las Gagliardi die italienische Autozeitschrift Quattro ruote. Er habe sich, sagt er heute, alles gemerkt, was da über die Autos jener Zeit drin stand, vor allem die PS- und die Hubraum-Zahlen. 2005 kam er nach Deutschland und heuerte beim britischen Zulieferer Ricardo in Schwäbisch Gmünd an. Dort, sagt er, seien ihm die Unterschiede zwischen Deutschland und Italien aufgefallen. "Hier siezen sich auch noch Leute, die schon seit Jahren zusammenarbeiten. In Italien ist man unter Kollegen nach zwei Minuten beim Du."

Und noch etwas fiel ihm ziemlich schnell auf: Der Umgang mit langfristigen Strategien. In Deutschland würden die Dinge nach einigen Diskussionen entschieden und konsequent umgesetzt - und dabei bleibe es dann auch. In Italien neige man dazu, bereits getroffene Entscheidungen auch mal zu revidieren. "Diese strategische Prägung ist allgemein in Italien seltener zu finden", sagt Gagliardi.

In einem Job, in dem es nicht nur auf den nächsten großen Technologiesprung ankommt, sondern auch auf die richtige Kommunikation zwischen den verschiedenen Managementkulturen, können solche Erkenntnisse ziemlich viel wert sein. Längst hat Gagliardi mehr als nur die Autobauer im Visier. "Wir wollen das Design-Know-how von Pininfarina künftig auch verstärkt für andere Kunden nutzen - zum Beispiel Haushaltsgeräte- und Küchenhersteller."

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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