Nahaufnahme:Mit Tiefgang, bitte

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"Frauen müssen auf ihrem Karriereweg ermutigt werden, Großes zu träumen, ohne sich dabei von Hürden erschrecken zu lassen." Angela Titzrath (Foto: dpa)

Bei der Post scheiterte sie an Vorstandschef Frank Appel, nun hat Angela Titzrath einen neuen Job: Als Chefin des Hafenlogistik-Unternehmens HHLA wird sie Hamburgs wichtigste Managerin. Dafür braucht sie: viel Geschick. Und die Elbvertiefung.

Von Angelika Slavik

Im April 2014 ist Angela Titzrath bei einer Podiumsdiskussion zu Gast, es geht um "Mehr Frauenpower auf dem Arbeitsmarkt", wie der Veranstalter das nennt. Titzrath, Personalchefin der Deutschen Post AG, verantwortlich für fast 500 000 Mitarbeiter, spricht über Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung und über die Ansprüche, die junge Leute heute an ihre Arbeitgeber stellen würden. Dann sagt sie, man müsse Frauen ermutigen, "Großes zu träumen, . . . ohne sich dabei von Hürden erschrecken zu lassen." Keine acht Wochen später ist Titzrath ihren Job los. Welche Hürde hat sie unterschätzt?

Knapp zwei Jahre sind seither vergangen, und jetzt hat Angela Titzrath, 49, einen neuen Job. Sie wird Vorstandsvorsitzende des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA. Es ist, das kann man jetzt schon sagen, eine Position, in der es die Hürden gratis dazu gibt. Die HHLA betreibt in Hamburg drei große Containerterminals, sie organisiert also die Be- und Entladung von Schiffen und den Weitertransport der Waren. 2015 sank die Zahl der von der HHLA umgeschlagenen Container um zwölf Prozent, auch Umsatz und Gewinn waren rückläufig. Das lag, einerseits, an der schlechten Wirtschaftslage in den wichtigen Märkten Russland und China. Zusätzlich kämpft der Hamburger Hafen aber auch damit, dass die Reedereien weltweit immer größere Schiffe einsetzen, in der Hoffnung, damit die Stückkosten zu reduzieren. Diese Riesenschiffe, die pro Ladung mehr als 19 200 Container transportieren können, haben wegen des höheren Gewichts auch mehr Tiefgang. Das Problem in Hamburg ist: Die Fahrrinne der Elbe ist für diese Schiffe schlicht nicht tief genug. Die Frachter können in Hamburg nur mit reduzierter Ladung einlaufen. Über die Elbvertiefung wird seit Jahren gestritten. Viele Reedereien schicken ihre Riesenfrachter deshalb lieber gleich nach Rotterdam.

Dazu kommt die komplexe politische Konstellation: 70 Prozent der Anteile an der HHLA hält die Stadt Hamburg, mit mehr als 5000 Mitarbeitern ist die HHLA einer der wichtigsten Arbeitgeber Hamburgs. Viele werden Angela Titzrath fortan also über die Schulter schauen - und es werden, so sieht es derzeit aus, keine langjährigen Verbündeten darunter sein. Denn die Verträge der anderen drei Vorstandsmitglieder wurden noch vor Titzraths Berufung verlängert. Führungspositionen, die sie mit Vertrauten besetzen könnte, gibt es also nicht. Man könnte sich leichtere Startbedingungen vorstellen.

Bei der HHLA gilt zudem das Verhältnis zwischen dem Vorstand und der Belegschaft als schwierig. Ob es dieser Umstand war, der für Titzraths Berufung entscheidend war? Denn Titzrath, die die HHLA von 2017 an führen soll, hatte zumindest in ihrer Zeit bei der Deutschen Post ein sehr gutes Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern, die Gewerkschaft Verdi bedauerte ihr Ausscheiden damals mit Nachdruck. Diese Nähe soll aber auch ein Mitgrund für das Zerwürfnis mit dem Post-Chef Frank Appel gewesen sein, hieß es damals: Titzrath habe den Forderungen der Gewerkschaft zu stark nachgegeben, die Personalkosten seien unter ihrer Verantwortung inakzeptabel gestiegen. Andere sagen, Titzrath habe lediglich versucht, Verantwortung zu zentralisieren, und sei damit vielen machtbewussten Menschen auf die Füße getreten. Am Ende zu vielen. So oder so: Erfahrung mit Machtpolitik bringt Titzrath also in den neuen Job mit - Erfahrung mit Schiffen dagegen hat sie keine. Titzrath stammt aus Essen, studierte Wirtschaft und Romanistik in Bochum, Italien und Portugal. Ihr Berufsweg begann bei Mercedes in Rom, sie arbeitete mehr als 20 Jahre in führenden Positionen für Daimler. In Hamburg kann sie jetzt zeigen, wie unerschrocken sie wirklich ist.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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