Nahaufnahme:König der Löwen

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„Wenn du gefragt wirst, eine Aufgabe für dein Land zu erledigen, solltest du das nicht zurückweisen", sagt Geoffrey „Mufasa“ Cox. (Foto: Tolga Akmen/AFP)

Geoffrey Cox, erfolgreicher Anwalt, Abgeordneter und juristischer Chefberater der Regierung, soll den Brexit-Vertrag retten.

Von Björn Finke

Er ist eine der wichtigsten Figuren im ewigen Brexit-Drama. Doch er gibt selten Interviews, und noch vor einem Dreivierteljahr war er selbst innerhalb Westminsters, der Politikblase des Vereinigten Königreichs, kaum bekannt. Nun aber soll Geoffrey Cox, erfolgreicher Anwalt, Parlamentsabgeordneter und juristischer Chefberater der Regierung, den Austrittskurs seiner Premierministerin Theresa May retten. Der 58-Jährige reist schon am Dienstag wieder zu Verhandlungen nach Brüssel, zusammen mit dem Brexit-Minister. Er spricht über Änderungen beim sogenannten Backstop für Nordirland, einer Klausel im Austrittsvertrag, die viele seiner konservativen Parteifreunde ablehnen.

Deswegen stimmten diese Tories Mitte Januar im Parlament gegen den Vertrag und fügten ihrer Partei- und Regierungschefin damit eine herbe Niederlage zu. May will die Klausel anpassen lassen und das Abkommen erneut einbringen. Solange das Unterhaus den Vertrag nicht billigt, droht ein ungeregelter Brexit. Die Übergangsphase, in der sich wenig ändern soll, fiele weg. Stattdessen würden schädliche Zölle und Zollkontrollen eingeführt. Auch wenn der Austritt um wenige Monate verschoben wird, bleibt das Risiko bestehen.

Cox kommt eine Schlüsselrolle zu. May ernannte den Konservativen im Juli zu Her Majesty's Attorney General for England and Wales, das entspricht dem obersten Justizberater. In dieser Funktion verfasste er ein Gutachten über die Probleme der Backstop-Klausel. Mays Hoffnung: Die EU soll Zugeständnisse machen und Cox danach den Parlamentariern erklären, dass diese Änderungen seine Bedenken größtenteils ausgeräumt haben. Das würde im besten Fall genug konservative Abweichler überzeugen, doch für den Vertrag zu stimmen. Cox' Wort hat Gewicht, denn er gilt als unabhängiger Geist und ist ein hoch angesehener Anwalt. Außerdem warb er vor dem EU-Referendum für den Brexit, anders als seine Premierministerin. Das macht ihn vertrauenswürdig für jene Austritts-Enthusiasten unter den Tories, die das Abkommen bisher ablehnen.

Für den Cambridge-Absolventen stellt die Berufung zum Attorney General finanziell einen herben Abstieg dar. Er muss deswegen seinen lukrativen Anwaltsjob ruhen lassen. Vorher, als einfacher Abgeordneter, war der verheiratete Vater dreier Kinder der Parlamentarier mit den höchsten Nebenverdiensten. Er leitete die Thomas More Chambers, eine Londoner Kanzlei, die er 1992 mitgegründet hat. Daher hatte Cox wenig Zeit, in Westminster Konferenzen oder Empfänge zu besuchen, und war folglich einer der unbekannteren Abgeordneten. Ins Parlament zog er 2005 ein, für einen ländlichen Wahlkreis im Südwesten Englands. Vier Jahre zuvor hatte er das schon einmal versucht, unterlag jedoch.

Den ersten großen Auftritt nach der Ernennung zum Justizberater hatte Cox auf dem Parteitag im Herbst. Er sprach direkt vor May und begeisterte das Publikum. Wegen seines vollen Baritons und des respekteinflößenden Gebarens gaben ihm Medien den Spitznamen "Mufasa" - das ist der König der Löwen aus dem Walt-Disney-Film. Zu seiner Berufung in die Regierung sagte der Sohn eines Soldaten in der Rede: "Wenn du gefragt wirst, eine Aufgabe für dein Land zu erledigen, solltest du das nicht zurückweisen."

In einem Interview bezeichnete er allerdings als größte Leistung nicht seine Karriere, sondern die Tatsache, dass seine Ehe seit 35 Jahren halte - wobei "das in Wirklichkeit die Leistung meiner Frau ist, nicht meine". Und sein Traumberuf sei Dichter, "aber ich bin nicht gut genug". Wenn er demnächst den Abweichlern bei den Konservativen den Austrittsvertrag schönreden muss, kann eine dichterische Ader nicht schaden.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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