Nahaufnahme:Klimaschützer im Kuhstall

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"Ohne gesellschaftliche Akzeptanz hat die Milchwirtschaft keine Zukunft", sagt Markus Mühleisen, Deutschland-Chef von Arla. (Foto: oh)

Warum Markus Mühleisen, Deutschland-Chef der Molkerei Arla, die Milchviehhaltung umkrempeln will.

Von Silvia Liebrich

Der Druck auf die Milchbauern kommt gleich von mehreren Seiten: Zum einen bringt die Milch wenig ein, im Schnitt derzeit gerade einmal 33 Cent je Liter - also so viel oder wenig wie vor vierzig Jahren. Hinzu kommen steigende Kosten. Ungemach bahnt sich nun auch von anderer Seite an - und das hat mit dem Trend zu veganen Ersatzprodukten aus Hafer, Soja, Mandeln und anderen Pflanzen zu tun. Nach Branchendaten wurde in den ersten neun Monaten 2019 ein Drittel mehr Milchimitate gekauft als im Vorjahreszeitraum, während der Kuhmilch-Verkauf leicht sank.

Markus Mühleisen kennt das Problem. Der 53-Jährige leitet die deutsche Tochter der schwedisch-dänischen Molkereigenossenschaft Arla, die hierzulande von 1750 Landwirten beliefert wird. "Die Situation für Bauern ist schwierig und der Milchpreis viel zu niedrig. Wir können die Proteste der Landwirte gut verstehen und nachvollziehen." Er sagt aber auch: "Dagegen wird es keine kurzfristigen Lösungen geben. Wir müssen an der Wertschöpfungskette arbeiten." Arla setzt auf Innovationen. Vor ein paar Jahren brachte die Molkerei mit Kaergarden eine streichfähige Butter auf den Markt, danach mit Skyr einen fast fettfreien cremigen Quark sowie ein Biofruchtjoghurt ohne Zuckerzusatz und künstliche Zusatzstoffe. Solche Produkte erzielen nach seinen Worten am Markt etwas höhere Preise, und davon profitieren auch die Mitglieder der Genossenschaft. 36 Cent je Liter, also drei Cent mehr als der Durchschnitt, bekamen die Arla-Bauern im ersten Halbjahr 2019. Arla ist mit einem Jahresumsatz von zehn Milliarden Euro eine der größten Molkereien in Europa

Dass Mühleisens Kalender in diesen Tagen besonders voll ist, liegt nicht nur an zahlreichen Terminen auf oder am Rande der Grünen Woche in Berlin, die noch bis 26. Januar läuft. Viel zu erklären gibt es vor allem in Bezug auf das neue Großprojekt von Arla, bei dem sich alles um Umwelt- und Klimaschutz dreht. "Unsere Landwirte haben trotz der schwierigen Marktlage das ambitionierteste Klimaschutzpaket beschlossen, das es in der Branche bislang gibt", kündigt er an.

Klimaschutz ist in der Landwirtschaft ein umstrittenes Thema, weil dort sowohl Treibhausgase entstehen als auch gebunden werden. Wiederkäuer wie Kühe verursachen Methan, ein Gas, das 25-mal so schädlich ist wie CO₂. "Unser Zwischenziel ist es, den Ausstoß unserer Produzenten bis 2030 um mindestens 30 Prozent je Liter Milch zu senken", erklärt Mühleisen. Bis 2050 sollen die Höfe unter dem Strich klimaneutral sein. Doch wie soll das gehen? Am Anfang stehen sogenannte Klimachecks, die Arla für jeden einzelnen Hof anbietet. Allein in diesem Jahr sollen dafür fünf Millionen Euro investiert werden. "Es gibt auch finanzielle Anreize. Jeder Landwirt, der mitmacht, bekommt einen Eurocent mehr je Liter", ergänzt der Manager. Das ganze Programm sei gemeinsam mit den Bauern beschlossen worden.

Nach dem Check beginnt die Umsetzung. Der Methanausstoß lässt sich nach seinen Angaben mit dem richtigen Futter verringern. Durch einen effizienten Einsatz von Gülle, das Anlegen von Hecken, mehr Grasbestand und eine größere Pflanzenvielfalt auf Feldern lasse sich mehr Kohlenstoff im Boden binden. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern sollen hier deutliche Verbesserungen erzielt werden. Mühleisen weiß auch, dass Arlas Klimaschutzpläne bei einigen Konkurrenten nicht gerade auf Zustimmung stoßen. Doch davon will sich der Manager, der Wirtschaftswissenschaften studiert und 25 Jahre für große Lebensmittelkonzerne wie Nestlé und General Mills gearbeitet hat, nicht beirren lassen. Er ist sich sicher: "Ohne gesellschaftliche Akzeptanz hat die Milchwirtschaft keine Zukunft."

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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