Nahaufnahme:Keine Experimente

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„Er wird die Airline mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit weiterführen“, sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr über Jens Bischof. (Foto: Oliver Roesler/dpa)

Jens Bischof soll die Lufthansa-Tochter Eurowings sanieren - doch einen großen Spielraum hat er nicht.

Von Jens Flottau

Als Jens Bischof vor drei Jahren von Frankfurt nach Antalya zog, um Chef des Ferienfliegers Sun Express zu werden, sah das für viele alles andere als nach einem Aufstieg aus. Immerhin war Bischof zuletzt Vertriebsvorstand bei der großen Lufthansa, ein Posten, von dem aus man normalerweise als nächstes mit einem Chefposten bei einer großen Tochtergesellschaft wie Swiss belohnt wird. Jedenfalls nicht mit einer schwierigen Mission wie Sun Express, bei dem sich Anteilseigner Lufthansa immer auch erst mit dem Besitzer der anderen 50 Prozent, Turkish Airlines, einigen muss.

Drei Jahre später wird Bischof, mittlerweile 54, nun auf einem Posten bei einer großen Tochtergesellschaft befördert. Allerdings nicht bei der hoch profitablen Swiss, sondern bei der tief defizitären Eurowings, an deren Sanierung sich seine Vorgänger die Zähne ausgebissen haben. Bischof wird Vorsitzender der Geschäftsführung, nachdem sich Konzernvorstand Thorsten Dirks auf seine Spezialität Digitales konzentrieren darf.

Bischof kommt in einen Konzern zurück, dessen Struktur sich wohl bald gravierend verändern wird. Denn das Unternehmen stellt mit dem 43-jährigen Boston Consulting-Berater Patrick Staudacher erstmals einen Finanzchef für die Kernmarke Lufthansa ein und kündigte an, die Airline solle von der Holding getrennt und rechtlich verselbständigt werden. Damit kommt das Unternehmen einer alten Forderung der Investoren nach, welche die Sonderstellung der größten Fluggesellschaft, die in der Gruppe direkt aus dem Konzernvorstand geführt wird, kritisiert hatten.

Insider gehen davon aus, dass die Airline Lufthansa bald einen eigenen Vorstand bekommt - ein Gremium, das erst vor Kurzem abgeschafft wurde. Das würde es Konzernchef Carsten Spohr, 52, erlauben, sich mehr aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen und sich auf das Große und Ganze zu konzentrieren.

Bischof hingegen kann sich einen solchen Luxus nicht leisten. Er muss bei Eurowings beweisen, dass er mehr ist als ein Vertriebsspezialist, als der er seit 1990 bei der Lufthansa Karriere gemacht hat. Denn der Vertrieb ist gerade nicht das Hauptproblem von Eurowings, die einmal als Billigsparte des Konzerns gestartet wurde und heute nur noch eine teure Zweitmarke mit unklarer Strategie und viel zu hohen Kosten ist.

Die Grundsatzentscheidungen für Eurowings haben Spohr und der mächtige Konzernvorstand Harry Hohmeister, 55, schon getroffen: Keine Langstrecke mehr, keine Übernahme von Brussels Airlines, Fokus auf Direktverkehr und niedrigere Kosten. Im kommenden Jahr wird Eurowings wenig bis gar nicht wachsen, das ist schon einmal gut für die Preise, aber nicht unbedingt für die Stückkosten.

Die Personalie Bischof findet auch kritische Resonanz. Der Mann sei für Spohr eine bequeme Lösung, denn er werde als alter Lufthansa-Mann keine schwierigen Grundsatzfragen aufwerfen und alles in Frage stellen, sondern im Rahmen der Vorgaben herauszuholen versuchen, was herauszuholen ist. Für die großen Konflikte sei er zu brav, heißt es.

Ob er sie eingehen muss, wird sich schon bald herausstellen. Denn eines der größten Probleme der früheren Germanwings und später auch der Eurowings war, dass sich die Konzernzentrale in Frankfurt gerne und häufig in alles eingemischt hat, was die da in Köln bei Eurowings entscheiden wollten. Auf die Idee sollte nun bitte niemand kommen. Bischof werde Eurowings "mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit führen", betont Spohr immerhin in einer Pressemitteilung.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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