Nahaufnahme:Jung genug

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Überraschung: Die Bulgarin Kristalina Georgiewa soll Chefin des IWF in Washington werden. Sie war nicht die Favoritin, aber sie ist gut geeignet für den schwierigen Job.

Von Michael Bauchmüller

„Umwelt und Entwicklung sind zwei Seiten derselben Medaille“, sagte Kristalina Georgiewa vor Kurzem in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. (Foto: Dominick Reuter/AFP)

Es gibt kein Amt, das Kristalina Georgiewa, 65, zu hoch wäre. "Nach reiflicher Überlegung", erklärte sie im September 2016, "habe ich beschlossen, die Nominierung anzunehmen." Der Posten war seinerzeit kein geringerer als der des UN-Generalsekretärs - die bulgarische Regierung hatte sie aufgestellt. Sie, Georgiewa, sehe in den Vereinten Nationen die Gelegenheit und Herausforderung, die Welt "sicherer, stärker, gerechter und wohlhabender" zu machen. Am Ende unterlag sie dem Portugiesen António Guterres. Geschwächt hat sie das aber nicht. Im Gegenteil.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Bulgarin nun die neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Üblicherweise besetzt Europa den Posten, und die EU hat sie nun nominiert - nach einigem Gezerre. Georgiewa war Kandidatin Frankreichs und einiger osteuropäischer Staaten; Deutschland und andere hätten lieber den früheren niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem auf der Position gehabt, doch am Ende setzte sich Paris durch. "Georgiewa hat alle nötigen Fähigkeiten, die Erfahrung und internationale Glaubwürdigkeit, um den IWF erfolgreich zu führen", erklärt Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire.

Dafür spricht in der Tat einiges. Georgiewa ist promovierte Ökonomin und forschte unter anderem an der London School of Economics und am Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT. Von 1993 bis 2010 arbeitete sie bei der Weltbank. Sie leitete die Umweltabteilung der Washingtoner Bank und zwischenzeitlich deren Repräsentanz in Moskau. 2010 wechselte sie nach Brüssel - als Kommissarin. Weil eine andere bulgarische Kandidatin am EU-Parlament gescheitert war, wurde kurzerhand Georgiewa nominiert. So wurde sie Europas oberste Entwicklungshelferin. Als 2014 Jean-Claude Juncker den Kommissionsvorsitz übernahm, machte er sie zur Vize-Kommissionspräsidentin, zuständig für den Haushalt. Er habe, sagte Juncker einmal, immer ihren "Willen zur Leistung" bewundert. Anfang 2017, wenige Monate nach der gescheiterten Kandidatur für den UN-Generalsekretär-Posten, wechselte Georgiewa zurück zur Weltbank - nun aber auf den neu geschaffenen Posten eines Chief Executive Officers. Und die Chance hat sie ergriffen.

Sollte sie am Ende tatsächlich Exekutivdirektorin des Währungsfonds werden, dann lässt die Zeit bei der Weltbank einige Schlüsse zu. Denn als operative Chefin hatte Georgiewa dort an einem massiven Umbau mitgewirkt: Die globale Entwicklungsbank sollte grüner werden, ihre Förderungen und Investitionen viel stärker auch an Fragen des Klimaschutzes ausrichten. "Wir wissen, dass wir nur einen Planeten haben", sagte sie vor ein paar Monaten in einem SZ-Interview. "Wie können wir an einer Entwicklung festhalten, wenn wir damit die Wurzel des Lebens zerstören?"

Für Georgiewa, die ihre Promotion zu "Umweltschutzpolitik und Wirtschaftswachstum in den USA" schrieb, ist das gleichsam ein Lebensthema. Und auch innerhalb des Währungsfonds hat sich in den letzten Jahren die Einsicht durchgesetzt, dass sich Klimaschutz und Finanzsysteme nicht mehr trennen lassen. Der Klimaschutz hängt einerseits davon ab, ob Finanzströme in die fossile Welt strömen oder in deren Umbau. Und gleichzeitig bedroht der Klimawandel letztlich wiederum die Stabilität von Finanzsystemen. Georgiewa sind diese Zusammenhänge sehr gut vertraut. "Umwelt und Entwicklung sind zwei Seiten derselben Medaille", sagt sie.

Noch ist der Weg nicht völlig frei. Georgiewa wird in einer Woche 66, nach IWF-Regeln wäre sie zu alt für den Job. Doch Regeln lassen sich ändern. Und jung genug ist sie gewiss.

© SZ vom 05.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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