Nahaufnahme:Im Viervierteltakt

Lesezeit: 2 min

„Ich bin überzeugt: Es wird für die Audianer auch nach der Krise weitergehen“, sagt Markus Duesmann. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ausgerechnet jetzt bekommt Audi mit Markus Duesmann einen neuen Chef. Der richtet sich gleich an die Beschäftigten und hat für sie beruhigende Worte parat.

Von Thomas Fromm

Dafür, dass in der Autobranche monatelang ziemlich viel über die Personalie Markus Duesmann diskutiert wurde, musste der Start des Managers in Ingolstadt eher weniger glamourös ausfallen. Es ist wegen Corona gerade nicht viel los in der deutschen Autoindustrie, auch nicht bei Audi, wo gerade 26 000 Menschen in Kurzarbeit sind. Tag eins des neuen Audi-Chefs, der den Niederländer Bram Schot ablöst, fällt also in eine eher untypische Zeit für diese Branche, die es in den vergangenen Jahren gerne auch mal krachen ließ. Aber die Autokonjunktur ist am Boden, die Bänder stehen still. An Tagen wie diesen sind Atemmasken wichtiger als Premiumautos.

Dabei war der Vorlauf dieser Berufung schon spektakulär genug. Duesmann steht seit 18 Monaten auf der Besetzungsliste bei Audi. So lange musste der 51-Jährige, der vorher als Einkaufsvorstand beim Rivalen BMW sein Geld verdiente, warten. In München fand man es überhaupt nicht lustig, dass der Manager einfach so zur VW-Tochter wechseln wollte. In Wolfsburg aber saß zu dieser Zeit längst ein früherer BMW-Mann am Ruder - Herbert Diess, seit 2015 VW-Chef, war es schließlich, der seinen Ex-Kollegen zu sich lotste. Diess hatte von Anfang an eine klare Mission für den gebürtigen Westfalen. Der Maschinenbau-Ingenieur soll aus Audi wieder das machen, was es einmal war und nach Meinung vieler in letzter Zeit verloren hat: Das technologische Herz für sämtliche neuen Entwicklungen im ganzen VW-Konzern.

BMW-Aufsichtsratschef Norbert Reithofer, durchaus ein strenger Ausleger der blau-weißen "Mia-san-mia"-Kultur des Hauses, verordnete ein Embargo: Nicht 2019, sondern erst im April 2020 sollte der Wechsler Duesmann den neuen Job in Ingolstadt antreten dürfen. Man könnte solche Sperrklauseln unter Kollegen vielleicht auch mal vergessen. Man kann sie natürlich aber auch rigoros anwenden.

Nun ist diese riesige VW-Galaxie nicht BMW, und wer in diesem Viel-Marken-Konzern erfolgreich überleben will, braucht einiges an Durchsetzungsvermögen. Daher glaubt man in der Branche, dass der Münsterländer, der Audi nun in das Elektroautozeitalter führen soll, der Richtige ist. Als Halbwaise ist er groß geworden, später trommelte er als Jugendlicher in einer Punkband. Punk gehört nicht unbedingt zu jenen Musikrichtungen, bei denen es um Melodie und filigrane Harmonien geht. Bei drei Akkorden im Viervierteltakt hat der Drummer vor allem damit zu tun, einen schnellen Rhythmus vorzugeben. Und bei Audi ist es das, was man in Zeiten nach der Dieselaffäre, von Sparprogrammen und Corona, jetzt wohl braucht.

Lange war Rupert Stadler bei Audi der Mann, auf den alle schauten. Als enger Vertrauter des verstorbenen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch gehörte er zu den mächtigsten Menschen im Konzern. Im Strudel des Dieselskandals landete er vorübergehend in Untersuchungshaft. Was blieb, waren eine Menge offener Themen. Zum Beispiel die Frage, wie sich der Konzern, der einst mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" angetreten war, im neuen Zeitalter von autonomem Fahren und Elektromobilität eigentlich behaupten soll.

Am ersten Duesmann-Tag bei Audi aber ging es erst einmal um Tagesaktuelles. Der Autobauer gab bekannt, Krankenhäuser, Pflegeheime und Sozialeinrichtungen mit fünf Millionen Euro zu unterstützen. "Ich danke allen Audianerinnen und Audianern, die in dieser außergewöhnlichen Zeit nach vorn schauen, mitanpacken und helfen, wo sie gebraucht werden", sagte Duesmann. "Ich bin überzeugt: Es wird für die Audianer auch nach der Krise weitergehen." Worte der Beruhigung in turbulenten Zeiten. Der Manager, der so lange auf seinen Job warten musste, hat seine neue Rolle schnell gefunden.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: