Nahaufnahme:Im Dienst der Familie

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Leonard Wilhelmi: „Ich hatte 15 Monate Zeit zum Einarbeiten. Ich dachte erst, das brauche ich nicht.“ (Foto: Robert Haas)

Leonard Wilhelmi übernimmt die Leitung der Buchinger-Klinik. Er hat es sich eine Weile überlegt und erst einmal ein Start-up gegründet.

Von Caspar Busse

Bei Buchinger in Überlingen am Bodensee gibt es ein festes Ritual. Einmal in der Woche werden die neuen Patienten der international bekannten Fasten- und Burnout-Klinik zu einem Kennenlern-Empfang gebeten und danach zum Networking aufgefordert, gereicht wird dazu ein Cocktail aus Wasser, Tee, Sirup und Kräutern. Seit ein paar Monaten hält Leonard Wilhelmi, 31, die kurze Begrüßungsrede im Namen der Familie - es ist Teil seiner Vorbereitung für den neuen Job. Denn Anfang März übernimmt Wilhelmi von seinem Vater die Geschäftsführung der Klinik, er wird das Haus dann in vierter Generation leiten.

Es ist das Ende einer Ära: Raimund Wilhelmi, 70, Enkel des Klinikgründers Otto Buchinger, führte die Geschäfte seit 34 Jahren. Künftig wird er sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen und seinem Sohn als "Mentor" zur Verfügung stehen. Wird er ihm die nötige Freiheit lassen?

Sohn Leonard wirkt mit seinen dunklen zurückgegelten Haare jugendlich. Seit fünfzehn Monaten arbeitet er sich nun in den Alltag der Buchinger-Klinik ein. "Ich dachte erst, das brauche ich nicht", sagt er und schmunzelt dabei. "Mein Vater hatte das damals auch nicht, als er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters übernahm. Aber die Zeit war für mich sehr wertvoll und wichtig." Die Aufgabe ist auch nicht leicht. Der Unterhalt der Klinik mit insgesamt 340 Mitarbeitern und 164 Zimmern ist teuer, geeignete Mitarbeiter sind nur schwer zu bekommen, es muss investiert werden, auch weil immer mehr Patienten aus dem Ausland kommen.

Wilhelmi hatte einst sein Abitur am Internat Schloss Salem abgelegt, dann absolvierte er ein Pflegepraktikum an der Charité in Berlin. Doch den Arztberuf - wie seine Mutter Françoise Wilhelmi de Toledo - wollte er nicht ergreifen, die Führung der Klinik hatte er zunächst nicht im Sinn. Er ging nach St. Gallen und studierte Management. Zusammen mit Kommilitonen gründete er ein Start-up. Während des gemeinsamen Joggens sahen sie auf den Wiesen Äpfel liegen und verrotten. Sie riefen die gemeinnützige Firma Gartengold ins Leben, in Zusammenarbeit mit benachteiligten Menschen und solchen mit Behinderung wird Obst von unbewirtschafteten Bäumen eingesammelt, zu Saft verarbeitet und in Schweizer Supermärkten verkauft. Später arbeitete Wilhelmi als Berater und bei einer Telekommunikationsfirma. 2017 entschloss er sich, in das elterliche Unternehmen einzusteigen. Sein älterer Bruder wird die Leitung der Schwesterklinik im spanischen Marbella übernehmen.

Die beiden lassen sich in die Pflicht nehmen. "Unser Credo lautet: Die Familie ist für das Unternehmen da und nicht umgekehrt", sagt der junge Wilhelmi. Buchinger mit Pool, Aufenthalts- und Fitnessräumen wirkt eher wie ein Hotel. Fasten kann man hier zehn, 14 oder 21 Tage lang - und das ist nicht gerade billig. Bei mehr als 300 Euro pro Nacht fangen die Preise an, dazu kommen Arztbetreuung, Ausflüge und Spezialbehandlungen. Viele Patienten sind Manager aus aller Welt, der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Joe Ackermann etwa kommt regelmäßig. Es gibt sogar Wartelisten.

Das Buchinger-Fasten sei inzwischen eine anerkannte Methode und nun auch wissenschaftlich dokumentiert, sagt Wilhelmi. Und: "Ich will den Brückenschlag in die Zukunft schaffen." Doch wie? "Wir haben mehr junge Patienten als früher, die sind bereit zu Investitionen in die eigene Gesundheit und wollen das ganze Jahr ihre Energie aufrechterhalten. Das wollen wir ausbauen", sagt er. Dafür muss auch das Angebot jünger werden. Ein großes Thema sei etwa die Nutzung von Smartphones, bisher nur in den Zimmern erlaubt, nicht aber auf Balkonen oder in den Gemeinschaftsräumen. Viele müssten ein Gefühl dafür entwickeln, so Wilhelmi.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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