Nahaufnahme:Idee auf der Schulbank

Lesezeit: 2 min

"Uns ist wichtig, dass wir ein Unternehmen gründen, keinen Umweltverein. Nur wenn wir wirtschaftlich arbeiten, hat das Ganze eine Zukunft": Miranda Wang. (Foto: TED)

Die Kanadierin Miranda Wang will Plastikteile aus den Meeren holen, ein großes Projekt. Dazu hat sie gemeinsam mit einer Freundin ein Unternehmen gegründet. Nun sucht sie Investoren, die ihnen Starthilfe geben.

Von Kathrin Werner

In den Sommerferien, als andere Teenager am Strand waren oder shoppen gingen, fuhr Miranda Wang auf die Müllkippe. Abfall stapelte sich, überall Plastik, alles rottete vor sich hin. Wang, damals 17 Jahre alt, hatte schon immer ein Herz für die Umwelt. In ihrer Schule im kanadischen Vancouver hat sie einen Biogarten und einen Umweltclub gegründet, Biologie war ihr Lieblingsfach. Das Gammel-Plastik ging ihr nicht aus dem Kopf. Wie könnte sie dafür sorgen, dass es nicht auf der Müllkippe landet, sondern wiederverwertet wird?

In der 12. Klasse kam ihr und ihrer besten Freundin Jenny Yao eine Idee: Sie wollten Mikroben suchen, die Plastik fressen. Die beiden haben Proben aus dem Fluss Fraser bei Vancouver genommen und im Labor untersucht. Es war spannend, wie viele Lebewesen sie gefunden haben. Aus den Tausenden Bakterien haben sie eine Hand voll aussortiert, genauer untersucht, mit verschiedenen Dingen gefüttert, sie im Labor verändert, weiter gezüchtet und tatsächlich zwei gefunden, von denen noch niemand wusste, dass sie eine häufige Sorte Plastik zersetzen können.

Heute ist Wang 21 Jahre alt, Studentin und Unternehmerin. Mit ihren Mikroben hat sie das Start-up Biocellection gegründet (https://www.ted.com/talks/two_ young_scientists_break_down_plastics _with_bacteria) und ist damit ein Beispiel für amerikanischen Gründergeist: Keine Herausforderung ist zu groß, um sie nicht mit dem Kapitalismus anzugehen.

Angst vor dem Scheitern hat sie nicht, sagt Wang. "Wir wollen mit einer Technik gleich zwei wichtige Probleme auf einmal lösen: Plastikmüll im Meer und Überfischung." Die beiden jungen Frauen glauben, dass ihre Mikroorganismen das viele Plastik fressen können, das in den Weltmeeren schwimmt. Laut Umweltgruppen sind es mehr als fünf Billionen Teilchen. Es ist ein riesiger, breiiger Plastikteppich, der alles Leben bedroht. Und statt eine der häufigsten Plastiksorten aus diesem Teppich nur zu zersetzen, will Wang daraus Fischfutter machen.

"Es ist absurd, wie viele Fische aus dem Meer gezogen werden, nur um aus ihnen Fischmehl für Zuchtbetriebe zu machen", sagt sie. Das erste Fischfutter, das ihre Mikroben hergestellt haben, hat den Fischen gut geschmeckt, sagt Wang. "Sie waren teilweise sogar gesünder als die mit Fischmehl Gefütterten." Die junge Gründerin erzählt auf Konferenzen in New York und Messen in China von ihrer Firma; schon als sie 19 Jahre alt war, hat sie zusammen mit Yao auf der berühmten Ideen-Konferenz TED in Kalifornien gesprochen.

Wang hat sich ein großes Problem vorgenommen, sagt Reinhard Saborowski, Biologe am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. "Im Prinzip ist das eine sehr gute Idee, aber es gibt viele Hürden", glaubt der Experte. "Wie will sie an das Plastik herankommen? Was passiert mit den anderen Plastiksorten, die ihre Mikroben nicht zersetzen? Und was ist mit Färbemitteln im Plastik, die nicht gesund für Fische sind?"

Wang sagt, sie sei noch in der Anfangsphase. Sie hat sich an der University of Pennsylvania eingeschrieben, studiert Molekularbiologie, belegt einen Gründerkurs, in dem sie ihre Firma weiterentwickelt. Yao ist auch an Bord, studiert aber in Kanada. Biocellection hat schon Mitarbeiter angeheuert, im Frühjahr will Wang 1,5 Millionen Dollar von Investoren eintreiben. Bald soll das Plastikmüll-Fischfutter auf den Markt kommen.

"Wir haben ein Geschäftsmodell: Es gibt viele Projekte, die Müll aus dem Ozean fischen und ihn kostenlos loswerden wollen. Wir wollen Geld verdienen, indem wir das Fischfutter verkaufen", sagt sie. "Uns ist wichtig, dass wir ein Unternehmen gründen, keinen Umweltverein. Nur wenn wir wirtschaftlich arbeiten, hat das Ganze eine Zukunft."

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: