Nahaufnahme:Hilfe vom Ex-Staatsanwalt

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Nobuo Gohara: „Nissan und der Staatsanwalt spielen zusammen, um aus einer Nichtstrafsache eine Strafsache zu machen und Ghosn zu vertreiben.“ (Foto: Toru Hanai/Bloomberg)

Der erfahrene Jurist Nobuo Gohara rechnet mit Japans Justiz ab und wirft ihr im Fall Carlos Ghosn Willkür vor.

Von Thomas Hahn

Offiziell spielt Nobuo Gohara keine Rolle im Wirtschaftskrimi um den flüchtigen früheren Nissan-, Mitsubishi- und Renault-Chef Carlos Ghosn. Weder arbeite er als Anwalt Ghosns, sagt Gohara, noch sei sein geplantes Buchprojekt zum Fall von Ghosn bezahlt. Allerdings hat Gohara eine Meinung zur Anklage der japanischen Staatsanwaltschaft gegen Ghosn wegen mutmaßlichen finanziellen Fehlverhaltens als Nissan-Boss. Er hält sie für nicht rechtmäßig, was er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tokio erläuterte. Und weil Gohara diese Meinung als Jurist, sogar als früherer Staatsanwalt vertritt, gehört er in Wirklichkeit doch ins Figurenkabinett dieser aufsehenerregenden Geschichte um den einstigen Starmanager der Autobranche.

Beobachter des großen Streits zwischen Ghosn und Japan könnten einen neutralen Beobachter durchaus brauchen. Denn Orientierung tut Not. Nach seiner mysteriösen Flucht aus Tokio nach Beirut hat Ghosn ausführlich über Japans "Geiseljustiz" geflucht. Justizministerin Masako Mori weist dagegen alle Vorwürfe zurück. Und Noubo Gohara, 64, steht für die Hoffnung des neutralen Publikums auf einen glaubwürdigen Schiedsrichter.

Von 1983 an diente Gohara 23 Jahre lang als Staatsanwalt in diversen Abteilungen. 2006 hatte er genug, gründete seine eigene Kanzlei, schrieb systemkritische Bücher und etablierte sich als Querdenker. Schon nach der ersten Verhaftung Ghosns im November 2018 nannte er die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft "willkürlich". Der Verdacht, dass Ghosn deutlich mehr Gehalt bezogen haben soll als angegeben, reiche nicht für eine Verhaftung. Das gefiel vor allem jenen, die das Gefühl haben, es sei was faul im Inselstaate Japan.

Kritiker des Kritikers könnten vorbringen, dass es Gohara um Geltung und Verkaufargumente für sein nächstes Buch gehe. Tatsächlich steckte er schon mitten in den Recherchen, als Ghosn Ende Dezember trotz harter Kautionsauflagen aus Japan floh. Zehn Stunden Interview-Material mit Ghosn hat er. Zum letzten Mal traf er ihn am 17. Dezember. Das Werk sollte zum Prozessbeginn erscheinen, der lange für April anberaumt war. Jetzt ist der Plan hinfällig, aber der Aufklärungsbedarf bleibt.

Vergangene Woche hat sich Gohara von Ghosn die Erlaubnis geben lassen, über ihren Kontakt zu sprechen. Es herrschte deshalb eine gewisse Spannung, als Gohara vor die Presse trat. Alle wollen wissen, was in Ghosn vorgeht. Vor allem wollen alle wissen, ob er nachweisen kann, dass er Opfer eines Komplotts von Nissan und japanischem Staat war. Solche Sensationen lieferte Gohara dann aber nicht. Er gilt als Vertrauter Ghosns. Will er das bleiben, kann er nicht mehr erzählen als Ghosn selbst.

Dafür hat Gohara mit deutlichen Worten das japanische Rechtssystem verrissen. Aus seiner Sicht geben die Vorwürfe gegen Ghosn keine Strafanzeige her. Deshalb hält er es für einen Rechtsbruch, dass die Ergebnisse einer internen Ermittlung gegen Ghosn bei Nissan direkt beim Staatsanwalt landeten und zur Verhaftung führten, noch bevor er als Nissan-Chef entlassen wurde. "Nissan und der Staatsanwalt spielen zusammen, um aus einer Nichtstrafsache eine Strafsache zu machen und Ghosn zu vertreiben", folgert Gohara. Und bei einer Verhaftung ist das Urteil nach Goharas Erfahrung meistens schon gefallen. Freisprüche seien selten, "über 99 Prozent" der Prozesse endeten mit einer Verurteilung. "Richter akzeptieren Anklagen des Staatsanwalts - außer die Verteidigung kann die Unschuld nachweisen." Es gelte die Schuldvermutung. Justizministerin Mori spricht von "fairen Verfahren". Die Botschaft des Juristen Noubo Gohara lautet trotzdem: Carlos Ghosn hat Recht, wenn er Japans Justiz Geiseljustiz und Vorverurteilung vorwirft.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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