Nahaufnahme:Herr Swan und das Eis

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Robert Swan: „Ihr seid bei erneuerbaren Energien weltweit vorn dran, dafür preise ich euch jeden Tag.“ (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Wenige kennen die Pole so gut wie Robert Swan. Der Brite war mehrmals in der Arktis und der Antarktis. Der Kampf für diese Gebiete ist seine Lebensaufgabe.

Von Stefan Mayr

Wenn Robert Swan zum vermutlich 5000. Mal von seiner ersten Nordpol-Expedition erzählt, dann sitzen seine Pointen. Er reißt seine hellblauen Augen auf. "Nein", ruft er ins Mikrofon. Kunstpause. "Ich hatte kein Handy, um meine Mami anzurufen." Gelächter in der vollbesetzten Halle. Es war anno 1989, und er hatte auch kein GPS, das ihm auf dem 1000 Kilometer langen Fußmarsch den Weg hätte weisen könne. Ein Sextant, eine Armbanduhr und die Sonne mussten genügen. Und vor allem hatte der Brite noch nie von Klimawandel und Erderwärmung gehört, als ihm genau diese Phänomene beinahe das Leben gekostet hätten. "Plötzlich saßen wir auf einer Eisscholle fest und um uns herum war nur noch Wasser." Er sei sicher gewesen, dass er sterben würde.

Doch er überlebte. Und avancierte damit zum ersten Menschen, der zu Fuß sowohl den Nord- als auch den Südpol erreicht hat. Heute ist der Brite 63 Jahre alt und hat Arktis und Antarktis inzwischen schon mehrmals besucht. Jedes Mal sind die Polkappen ein Stück weiter abgeschmolzen, berichtet er. "Wo wir vor 30 Jahren noch gingen, muss man jetzt schwimmen." Jeder, der behauptet, den Klimawandel gebe es nicht, "dem schlage ich vor, er soll zum Nordpol laufen". Das geht heute nicht mehr, beteuert er. "Es fehlt das Eis, auf dem man stehen kann."

Wenn Robert Swan gerade nicht an den Polen unterwegs ist, trommelt er weltweit mit launigen Reden für seine Stiftung "2041". Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftliche Ausbeutung der Antarktis zu verhindern. Derzeit gilt der internationale "Antarktis-Vertrag", der den Abbau von Bodenschätzen verbietet. Das Abkommen läuft aber 2041 aus, und spätestens seit Donald Trump sei die Gefahr groß, dass der Vertrag nicht verlängert wird.

"Die Antarktis ist die letzte Wildnis der Erde", sagt Swan beim Kongress für Ressourceneffizienz nahe Stuttgart. "Sie ist der einzige Ort der Welt, der uns allen gehört und sie ist die gefährlichste und stärkste leise Kraft." 90 Prozent des Eises der ganzen Erde befänden sich am Südpol, sagt er. "Und wenn wir das schmelzen lassen, müssen wir schwimmen." Oder Mauern um Hamburg und London bauen, damit es dort trocken bleibe.

Regelmäßig bereist er mit Gruppen die Antarktis, um das Bewusstsein junger Menschen zu schärfen und Unterstützer für sein Ziel zu gewinnen. "Mein Ziel ist es, dass bis 2041 weltweit so viel erneuerbare Energien hergestellt werden, dass es für die Konzerne keinen Sinn mehr macht, die Bodenschätze der Antarktis abzubauen." In diesem Zusammenhang lobt er ausdrücklich die deutsche Energiewende. "Ihr seid bei erneuerbaren Energien weltweit vorn dran, dafür preise ich euch jeden Tag." Die Deutschen müssten das "viel mehr feiern", sagt er, "ich weiß nicht, warum ihr das nicht tut."

Die "Friday-for-Future"-Bewegung begrüßt Swan, allerdings hat er auch ein Problem mit ihr: "30 Jahre habe ich gewartet, bis die Jugend aufsteht", sagt er. Jetzt, wo es so weit ist, ist Swan nicht ganz zufrieden: "Die Leute haben recht, aber leider ist da viel Frust und Ärger dabei, sie sollten auch über Lösungen nachdenken." Es sei zu schade, im Kampf gegen den Klimawandel eine weitere Generation zu verlieren. "Im Notfall müssen die Generationen zusammenarbeiten", appelliert er.

Für seine Verdienste um den Umweltschutz erhielt Robert Swan 1995 von Königin Elisabeth II. den Ritterorden (OBE). Im Dezember will er zusammen mit seinem Sohn noch mal zu Fuß zum Südpol gehen. Und das im Alter von 63 Jahren und mit einem künstlichen Hüftgelenk. "Ich habe wirklich Angst", sagt er. Um seine Gesundheit. Aber machen will er es trotzdem. Der Welt zuliebe.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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