Nahaufnahme:Hart am Wind

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"Wir ändern den Kurs des Segelschiffs nicht", sagt Oliver Samwer. (Foto: dpa)

Oliver Samwer ist Stammgast beim Weltwirtschaftsforum in Davos, seit er 2004 als "Young Global Leader" ausgezeichnet wurde. Das hilft ihm nun.

Von Caspar Busse

Er sitzt etwas versteckt in einer Ecke des Kongresszentrums und empfängt im Halbstundentakt seine Gesprächspartner, er spricht über Geschäfte, neue Möglichkeiten, den Zustand der Welt. Oliver Samwer, 42, ist Stammgast beim Weltwirtschaftsforum in Davos, seit er 2004 als "Young global Leader" ausgezeichnet wurde. Der öffentlichkeitsscheue Gründer und Vorstandschef von Rocket Internet, leger im dunkelblauen Pullover, nutzt das Treffen auch diesmal vor allem für Kontakte und die Pflege seines Netzwerks.

Dabei sind es nicht gerade einfache Zeiten für den Internetunternehmer, er ist ganz schön unter Druck. Im Oktober 2014 brachte Samwer die Start-up-Holding Rocket Internet an die Börse. Der Aktienkurs ging nach einem schwachen Start zwar nach oben, zuletzt aber musste das Papier einen ziemlichen Schwächeanfall verkraften. Die Rocket-Aktie liegt bei knapp 19 Euro, weit entfernt vom Hoch von über 55 Euro und auch deutlich unter dem Ausgabepreis. Dazu kommen der verschobene Börsengang der Tochterfirma Hello Fresh, Abgänge im Management und ein Wechsel im Aufsichtsrat.

Doch Samwer gibt sich gelassen und will an der Strategie trotz allem festhalten. "Wir ändern den Kurs des Segelschiffs nicht", betont der passionierte Segler. "Rocket Internet ist im Grundsatz noch immer dasselbe Unternehmen wie zum Börsengang im Oktober 2014. Auch in unserem Geschäft gibt es nur eine kontinuierliche Entwicklung, keine Sprünge", fügt er an. Aber Rocket Internet sei durchaus eine erklärungsbedürftige Aktie: "Für viele ist das Internet weiterhin schwieriges Terrain, Aktivitäten und Geschäftsmodelle müssen deshalb immer wieder erklärt werden." Rocket Internet investiert in hoffnungsvolle, aber meist defizitäre Online-Firmen. Der Gewinn stellt sich in der Regel erst bei einem Weiterverkauf ein. Manche Anleger in Deutschland sind da vorsichtig und erinnern sich an das Desaster des Neuen Marktes. Zudem ist der Markt für die Rocket-Aktie eng, die meisten Anteile halten Samwer und seine Brüder sowie der skandinavische Investor Kinnevik.

"In den USA wird man sicherlich als Internetunternehmer nicht so tief getaucht, bis man wieder auftaucht", sagt Samwer jetzt. Aber es gibt auch Probleme: Wichtige Beteiligungen von Rocket, wie die Lieferfirma Delivery Hero, der Kochbox-Lieferant Hello Fresh sowie die Möbelhändler Westwing und Home 24, machen Verluste. Samwer verspricht den Anlegern nun, dass der Tiefpunkt erreicht sei, es bald aufwärts gehe. Allerdings: Schnelle Börsengänge sind angesichts der Finanzmarktturbulenzen derzeit nur schwer kalkulierbar.

Samwer gilt auch bei seinen Kritikern als schlauer Kopf. Er kommt aus Köln, studierte als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Betriebswirtschaftslehre. Zusammen mit seinen beiden Brüdern gründete er 1999 nach dem Vorbild der US-Firma Ebay ein Internetauktionshaus und verkaufte es bald für rund 50 Millionen Dollar. Dann war er mit Jamba, einem Anbieter von Klingeltönen und Mobilfunkanwendungen erfolgreich. Auch beim Onlinemodehaus Zalando war Samwer beteiligt. Anfang dieser Woche nun verschaffte sich Samwer weiteren finanziellen Spielraum. Er sammelte bei internationalen, langfristig orientierten Investoren fast 400 Millionen Euro für einen neuen Fonds ein, mit dem er sich bei weiteren hoffnungsvollen Start-ups beteiligen will. Er will vorbereitet sein, wenn sich neue Gelegenheiten ergeben, Samwer ist kein Online-Erfinder, sondern vor allem ein Investor, immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Sein wenig bescheidenes Ziel: Rocket Internet soll die weltweit größte Online-Plattform außerhalb der USA und China werden.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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