Nahaufnahme:Geld bewegt die Umwelt

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Werner Hedrich: „Wie oft jemand sein Auto oder das Fahrrad nimmt, muss jeder selbst entscheiden. Die Menschheit muss sich schon selbst retten.“ (Foto: oh)

Werner Hedrich leitet eine neue Art der Vermögensverwaltung. Dabei soll das Geld der Kunden so angelegt werden, dass dies im Einklang mit dem Ziel der Weltklimakonferenz steht.

Von Thomas Öchsner

Im Eingang steht das Spielzeugmodell eines schwarzen Tesla. Daneben auf einem kleinen Podest Turnschuhe von Nike und Adidas aus wiederverwerteten Kunststoff. Sonst weist nichts darauf hin, dass hier das Geld vermögender Menschen ganz anders angelegt wird, als dies sonst üblich ist. Ein biederes Großraumbüro für zehn Mitarbeiter, nur die Adresse, in der Münchner Maximilianstraße, ist exklusiv. Der Chef hier, Werner Hedrich, 45, will auch kein Büro für sich allein, er sitzt bei anderen.

Hedrich, in der Frankfurter Finanzszene als Deutschland-Chef des US-Analysehauses Morningstar lange Jahre eine anerkannte Größe, leitet nun das Deutschlandgeschäft von Globalance Invest. Das Unternehmen ist der nach eigenen Angaben weltweit erste Vermögensverwalter, der das Geld seiner Kunden so anlegt, dass dies im Einklang mit dem Ziel der Weltklimakonferenz steht, die globale Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

"Anleger schauen zunehmend darauf, was mit ihrem Geld passiert", sagt Hedrich. Dabei gehe es ihnen nicht nur um die Rendite, die ihre Aktien oder Anleihen bringen. "Sie wollen wissen, wohin das Geld fließt, was damit produziert wird, unter welchen Bedingungen dies geschieht und welche Folgen das für die Umwelt und die Gesellschaft hat." Und dabei will Hedrich, Vater von zwei Töchtern im Alter von zehn und 13 Jahren, zukünftig helfen.

Viele Menschen haben vielleicht bestenfalls eine Ahnung davon, dass ihr alter Kühlschrank viel Strom verbraucht oder ihr T-Shirt aus Bangladesch kommt. Sie wissen aber nicht, wie ihre Geldanlagen Gesellschaft und Umwelt beeinflussten. Globalance möchte deshalb für seine Kunden "eine Art Google Earth sein, um die eigenen Anlagen besser zu verstehen", sagt Hedrich. Möglich soll dies ein "ökologischer Fußabdruck" (Footprint) machen, den Reto Ringger, Gründer des Mutterunternehmens Globalance Bank, entwickelt hat. Die Schweizer Privatbank steht hinter Hedrichs Arbeitgeber, der mit dem Footprint misst, ob die Unternehmen in den Depots der Kunden die Welt besser machen.

So stoßen die Firmen, auf deren Anteilsscheine oder Anleihen Globalance setzt, fast 50 Prozent weniger CO₂ aus als die Unternehmen im Weltaktienindex MSCI World. Bestimmte Papiere legt der Vermögensverwalter seinen Kunden grundsätzlich nicht in die Depots: "Dazu zählen Unternehmen, die Atomkraftwerke betreiben oder auf fossile Brennstoffe setzen. Tabakaktien, Firmen, die von Pornografie oder Kinderarbeit leben sind für uns auch tabu", sagt Hedrich.

Der frühere Aktien- und Fondsanalyst hat sich schon als Student intensiv mit der Börse beschäftigt, las die Fachpresse, lernte Bilanzen lesen und verstehen. Dabei ist er weder Volks- noch Betriebswirt, sondern hat ein Diplom als Politologe. Hedrich rechnet ganz nüchtern vor, warum es auch ökonomisch sinnvoll ist, beim Anlegen auf den ökologischen Fußabdruck zu achten. "Es geht dabei um Risikomanagement. Wer Aktien oder Anleihen kauft, sollte sich fragen: Wie verdient das Unternehmen im Unterschied zu Wettbewerbern Geld? Wie schnell kann das Geschäftsmodell kaputt gehen?" Wer sich solche Fragen stelle, lande automatisch bei ökologischen Fragen. "Und dann lässt man die Papiere von Kohleunternehmen eben links liegen, weil das kein Geschäftsmodell der Zukunft sein kann."

Hedrich will aber niemandem etwas vorschreiben: "Wie oft jemand in sein Auto steigt oder das Fahrrad nimmt, muss jeder selbst entscheiden. Die Menschheit muss sich schon selbst retten."

Kürzlich hat er seinen Kindern seinen neuen Arbeitsplatz gezeigt. Die Turnschuhe aus dem recycelten Kunststoff wollen sie jetzt auch haben.

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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