Nahaufnahme:Für einen klaren Kopf

Lesezeit: 2 min

Die Ärztin Wilhelmi de Toledo betreibt zusammen mit ihrem Mann seit fast 40 Jahren die Buchinger-Klinik in Überlingen am Bodensee. Die beiden verdienen mit dem Heilfasten.

Von Caspar Busse

Sie trinkt Ingwer-Tee und ist ziemlich erkältet. Aber Françoise Wilhelmi de Toledo, 65, kurze graue Haare, fester Blick, leichter französischer Akzent, will sich an diesem Mittag nichts anmerken lassen. Später muss sie noch nach Madrid, dort wird sie bei einer Veranstaltung auftreten und über ihr Thema sprechen: das Fasten. Gemeinsam mit ihrem Mann Raimund Wilhelmi betreibt sie seit fast 40 Jahren in Überlingen am Bodensee die Buchinger-Klinik, eher Hotel als Krankenhaus, mit Pool, Aufenthalts- und Fitnessräumen, die Klinik ist weithin bekannt für ihre Fasten-Programme. "Die Buchinger-Methode wird weltweit praktiziert, und viele versuchen, sie zu kopieren", sagt Toledo, und man merkt, dass sie darauf durchaus stolz ist.

Kaum oder nichts zu essen, sechs bis 15 Tage lang, das ist bei Buchinger nicht gerade billig. Bei mehr als 300 Euro pro Nacht fangen die Preise an, dazu kommen Behandlungen, Ausflüge und die Betreuung durch einen der acht Ärzte. Die privaten Kassen ersetzen, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil. Trotzdem ist die Nachfrage hoch. Mehr als die Hälfte der Gäste sind Manager aus aller Welt, der frühere Deutsche-Bank-Chef Joe Ackermann etwa kommt regelmäßig, aber auch Schauspieler, Köche, Hoteliers. Sie alle sind gestresst und ausgelaugt und suchen einen Neuanfang. "Fasten gibt oft eine Klarheit im Kopf, da wird auch die eigene Lebenssituation überdacht", sagt Wilhelmi de Toledo.

Zusammen mit ihrem drei Jahre älteren Mann, dem Enkel des Klinikgründers Otto Buchinger, hat sie das "Buchinger-Heilfasten" zu einem einträglichen Geschäftsmodell gemacht. Die Buchinger-Klinik - seit 1973 gibt es auch einen Ableger im spanischen Marbella - ist zu einem mittelständischen Betrieb geworden. 130 Zimmer gibt es in Überlingen, fast alle mit Bodensee-Blick, 300 Mitarbeiter werden beschäftigt. Das Konzept des Fastens sei inzwischen akzeptiert, sagt Wilhelmi de Toledo, die Auslastung über das gesamte Jahr hoch. Das Unternehmen mache Gewinn, Investitionen werden aus eigener Kraft finanziert.

Wilhelmi de Toldeo kommt in Genf auf die Welt, ihre Mutter stammt aus Spanien, mit 17 Jahren liest sie ein Buch über Fasten und macht einen Selbstversuch. Dann studiert sie Medizin, promoviert über "Probleme bei der Beurteilung des Vitaminhaushalts im Fasten". Heute ist sie die wissenschaftliche Leiterin der Klinik, schreibt Bücher und ist viel unterwegs, um für das Fasten zu werben. "Wenn Sie fasten, bringen Sie Ihr Essen mit, Sie ernähren sich von der eigenen Fettreserve", sagt sie. Die Gäste müssten wieder lernen, mit Hunger und Sättigungsempfinden zu leben und zu spielen. Es sei eine kleine asketische Übung, die manchmal zum Durchbrechen alter Verhaltensmuster führe. "Das Fasten bringt das Beste aus dem Menschen hervor", glaubt Toledo. Allerdings ist Fasten auch umstritten, die Wirkung sei überschätzt und wenig erforscht, heißt es.

Auch Medienfasten kann man in Überlingen lernen, Mobiltelefone dürfen nur im Zimmer bei geschlossenem Fenster genutzt werden, um andere nicht zu stören. "Gerade jüngere Menschen sind heute sehr gestresst und beschäftigt, auch durch die Vielzahl neuer Medien", sagt Wilhelmi de Toledo. Und: "Wir empfehlen auch ein Medienfasten, aber man kann niemanden zu etwas zwingen."

Zwei Söhne haben die Wilhelmis, sie arbeiten schon mit, bald werden sich die Eltern zurückziehen. "In absehbarer Zeit übernimmt die neue Generation das Unternehmen", sagt Wilhelmi de Toledo. Und: "Ob und wie wir weiter expandieren, muss die nächste Generation entscheiden." Denkbar ist vieles, die Eröffnung neuer Standorte oder ein Franchise-System der Buchinger-Fasten-Methode. Beschlossen sei aber nichts.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: