Nahaufnahme:Es ist angerichtet

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Kai Robert Paulus: "Wir sind auf Flüchtlinge zugegangen, haben uns bemüht, ausbildungsfähige Leute zu finden." (Foto: OH)

Der Gastronom Kai Robert Paulus trotzt dem Fachkräfte­mangel auf seine Weise. Auch mit Hilfe von Flüchtlingen.

Von Silvia Liebrich

Was Kai Robert Paulus nicht mag, ist Langeweile. Nicht im Leben, schon gar nicht in seiner Küche. "Kreativität ist wichtig. Ich konnte nach zwölf Jahren keinen Filet-Teller mehr sehen", sagt er. Der 49-Jährige ist gelernter Koch und führt zusammen mit seinem Partner Joachim Schreiber die Villa Paulus, einen Hotel- und Restaurantbetrieb in Remscheid im Bergischen Land. Wer bei ihnen einkehrt, bekommt deshalb seit ein paar Wochen statt der üblichen Speisekarte ein fast täglich wechselndes Angebot an Gerichten. "Wir bereiten 30 Portionen von einem bestimmten Gericht zu. Wenn die weg sind, kochen wir etwas Neues", erklärt der Küchenchef. So muss er auch weniger Lebensmittel wegwerfen.

Auch sonst läuft in der Villa Paulus einiges anders. Der Gastronom hat sein eigenes Rezept gegen den Fachkräftemangel in der Branche entwickelt. Gleich neben dem Eingang hängt ein Bilderrahmen mit Fotos der Mitarbeiter. 34 sind es insgesamt, ein Drittel ist fest angestellt. Das ist viel für ein Haus mit elf Zimmern und 40 Plätzen im Restaurant. "Wir brauchen so viel Personal, weil wir sieben Tage die Woche geöffnet haben", sagt Paulus.

Doch genau das bereitet ihm auch Sorgen. Besonders schwer zu finden sind Köche und Restaurantfachkräfte. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im September im Gastgewerbe knapp 47 000 offene Stellen gemeldet. "In den Köpfen junger Menschen geistert herum, dass die Ausbildung zum Koch besonders hart ist, weil man mit cholerischen Küchenchefs arbeiten muss", sagt der Gastronom. Hinzu komme manchmal schwieriges Verhalten der Gäste. "Das wollen sich heute viele nicht mehr antun." Ein anderes Problem ist das niedrige Lohnniveau der Branche.

Die Mitarbeiter in seinem Betrieb stammen aus 13 Nationen

Paulus bekämpft die Nachwuchskrise auf seine Weise. Die Mitarbeiter in seinem Betrieb stammen aus 13 verschiedenen Nationen. "Das ist sehr bereichernd, gerade was die Küche angeht", sagt er. Darunter sind auch Flüchtlinge aus dem Irak, Iran und Syrien, die zu Köchen ausgebildet werden. "Wir sind auf Flüchtlinge zugegangen, haben uns bemüht ausbildungsfähige Leute zu finden. Das ist uns auch gelungen und hat uns in der Küche weiter gebracht." Nur eine berufliche Perspektive zu bieten, das reiche in dem Fall aber nicht. "Flüchtlinge brauchen auch unsere Hilfe beim Aufbau eines sozialen Umfelds", sagt er. Dazu gehöre etwa Hilfestellung bei Ämtergängen oder in Familienangelegenheiten.

Dass es dem Gastronom nicht an Mut zur Eigeninitiative fehlt, zeigt sein Lebenslauf. Paulus ist in Bochum geboren, nach der Realschule lernte er Koch, holte das Abitur nach und ging danach zur Bundeswehr. Dann kehrte er in die Gastronomie zurück, auf die harte Tour. Mit einem Imbisswagen versorgte er fünf Jahre lang gut 500 Bauarbeiter auf einer Großbaustelle. Mit seinem Partner betreibt er heute neben Hotel und Restaurant noch ein Gästehaus sowie ein paar Tankstellen. Die historische Villa haben sie 2009 gekauft und von Grund auf renoviert. "Das Gebäude war damals in abrissreifem Zustand. Auf dem Dachboden standen 42 Eimer, die bei Regen regelmäßig geleert werden mussten", sagt er. Die beiden haben viel investiert. Paulus ist zufrieden. Das Gesamtkonzept stimme, sagt er, auch wenn es nicht einfach sei wirtschaftlich zu arbeiten.

Weiter expandieren will er nicht mehr. Für ihn geht es bereits um die Nachfolgefrage. Schließlich habe er nicht vor mit 70 noch in der Küche zu stehen, sagt er mit einem Augenzwinkern. "Wir haben aber das Glück, dass einige frühere Fachkräfte, die bei uns gelernt haben, zurückkommen. Das sind junge Leute, die bei uns flexibel arbeiten können, damit ihnen Zeit für die Familie bleibt." Er sieht darin auch eine Bestätigung dafür, dass er einiges richtig gemacht haben muss.

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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