Nahaufnahme:Er macht Wasser bunt

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Martin Murray sagt der Getränkeindustrie den Kampf an - mit einem Mikrodrink. Dazu pulverisiert er Kräuter zu Würfeln, ähnlich wie Brause. Aber wer ist die Zielgruppe?

Von Vivien Timmler

Martin Murray: „Die Getränkeindustrie hat sich seit Jahren kaum verändert: Wir füllen Zuckerwasser in Flaschen und stellen sie ins Regal.“ (Foto: Waterdrop)

Mehr Wasser trinken - das ist eigentlich ein Thema, das Mütter, Ärzte und Beauty-Gurus besetzen. Martin Murray ist nichts von alldem, aber er hat großes Interesse daran, dass die Menschen genau das tun, nur eben mit einem winzig kleinen Zusatz: einem Brausewürfel, kaum daumennagelgroß. Einem Mikrodrink, wie Murray sagt.

Der selbstbewusste 34-Jährige hat sich ein Produkt ausgedacht, mit dem er gleich einer ganzen Industrie den Kampf ansagt: den Wasserabfüllern, den Sirup-Produzenten und vor allem den Herstellern von Softdrinks. "Die Getränkeindustrie hat sich seit Jahren kaum verändert: Wir füllen Zuckerwasser in Flaschen und stellen sie ins Regal." Seine Idee: Wenn alle mehr Wasser trinken sollen, es vielen aber schwerfällt, auf zwei bis drei Liter am Tag zu kommen - warum nicht dem Wasser etwas zuführen, damit es lieber getrunken wird?

Tatsächlich geht der Trend weg von zuckerhaltigen Getränken. Die Umsätze mit klassischen Softdrinks sinken, gleichzeitig versuchen die Umweltministerien vieler Länder, Leitungswasser mit Kampagnen attraktiver zu machen.

In diese Lücke will Murray stoßen. Er kündigte 2015 trotz hoher Schulden seinen Job bei einer großen Unternehmensberatung und begann, Früchte, Kräuterextrakte und anderes gesundes Zeug zu pulverisieren. Das komprimierte er dann auf zehn mal zehn mal zehn Millimetern, ähnlich dem Prinzip einer Brausetablette, und nannte sein Produkt "Waterdrop", Wassertropfen. Kommt der Würfel mit Wasser in Berührung, löst er sich auf.

Doch Murray merkte schnell: "Unser Produkt ist erklärungsbedürftig." Brausewürfel kennen die meisten höchstens aus den Neunzigern von Ahoi Brause. Zwar wirbt die Firma mit Vitaminzusätzen, in die Ecke der Nahrungsergänzungsmittel will Murray sich aber nicht drängen lassen. Hinzu kommt: Wer gern Wasser trinkt, verzichtet auf Geschmackszusätze, wer es süßer mag, greift bislang zu Schorlen, Tee oder Flavoured Water. Wer also soll die Zielgruppe der Mikrodrinks sein?

Murray, halb Schotte, halb Österreicher, kennt diese Zweifel. Zumindest die Zahlen geben ihm jedoch recht: Im vergangenen Jahr machte er mit Waterdrop etwa fünf Millionen Euro Umsatz, im Vorjahr waren es lediglich einige Hunderttausend. Sein Produkt soll vor allem Frauen zwischen 25 und 50 ansprechen, sagt er, in dieser Zielgruppe seien die Vorteile von Wassertrinken gelernt. 120 000 Kunden in vier Ländern zählt das Start-up mittlerweile, noch in diesem Jahr will Murray nach Frankreich und Großbritannien expandieren, 2020 dann in die USA, zunächst per Online-Versand. Ein Vertriebsweg, den er den klassischen Getränkeherstellern mit ihren sperrigen Kisten voraus hat.

Auch die Geschmackssorten sind quasi das Gegenteil von Cola, Fanta, Sprite. Sie heißen "Youth", "Relax" oder "Boost" und beinhalten etwa Ingwer-Löwenzahn, Holunder-Açaí oder Wacholder-Brennnessel, was ein bisschen schmeckt, als würde es auch bei Kopfschmerzen helfen. Trotz des Hipster-Einschlags bestreitet der Wiener Murray vehement, ein urbanes Trendprodukt anzubieten. "Unsere Käufer kommen von überallher, auch vom Land."

Zweifelsohne vereint Waterdrop aber so viele Trends in einem Produkt, wie nur irgendwie möglich: Die Würfel sind zuckerfrei, verursachen im Transport aufgrund ihrer Größe weniger CO₂ und zudem weniger Plastik als herkömmliche PET-Flaschen. Allerdings sind alle Kapseln einzeln in Plastik verpackt, wenn auch in recycelbares - laut Murray die einzige Möglichkeit, um Obstkonzentrate ohne Konservierungsstoffe haltbar zu machen, man arbeite aber daran. Wer auf Plastik verzichten will, trinkt so lange vielleicht doch lieber reines Leitungswasser.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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