Nahaufnahme:Die Krise als Chance

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"Die Kaffeeproduktion wurde in zwei Dekaden verdreifacht, aber vor allem durch Produktivitätssteigerungen." Andrea Illy. (Foto: Vincenzo Lombardo/Getty)

Der Kaffeeröster Andrea Illy aus dem norditalienischen Triest setzt auf mehr Nachhaltigkeit - und hofft auf bessere Zeiten nach der Corona-Krise.

Von Thomas Fromm, Berlin

Beim italienischen Kaffeeröster Illy ist vieles auch eine Sache der Verpackung. Da sind die Plastikhüllen für die Kaffeekapseln. Und da ist die Sache mit den silbernen Aludosen, in denen das Unternehmen aus dem Nordosten Italiens - ohne Sauerstoff - auch schon seit Jahrzehnten seine Bohnen verkauft. "Man kann so zwei, drei Jahre alten Kaffee von Illy trinken, und zwar mit einem interessanten Geschmacksprofil", sagt Andrea Illy, Präsident von Illycaffè aus Triest. Dieser Kaffee ist also ein bisschen wie ein Wein - auch wenn er nicht ganz so alt werden kann. Nun ist es aber so, dass Verpackung immer auch Abfall bedeutet, und Illy setzt auf Recycling , wo immer das irgendwie möglich ist. 85 Jahre, nachdem ein gewisser Francesco Illy die legendäre Ur-Espressomaschine "Illetta" konzipierte, geht es beim norditalienischen Espresso also um mehr als um Aromen und Qualität. Es geht auch um die Frage, ob all das, was um einen Kaffee sonst noch so herum passiert, auch nachhaltig ist.

Es gibt erste Schritte: Bis 2033 will Illy klimaneutral sein, die so genannten Take-Away-Produkte sollen aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt werden, und erst im Oktober kündigte das Unternehmen an, dass gebrauchte Kapseln aus Kunststoff oder Aluminium zu Hause abgeholt oder auf Kosten des Unternehmens zum Recycling verschickt werden können. Dafür arbeitet Illycaffè mit dem Unternehmen Terracycle zusammen.

An diesem Dienstag sitzt Illy nun beim SZ-Wirtschaftsgipfel vor der Kamera mit einer großen, cremigen Cappuccino-Tasse im Hintergrund. Um die Frage, wie man den richtigen Cappuccino zubereitet, geht es heute nicht, es geht um grundsätzliche Dinge. Zu viel Konsum, das weiß auch Illy, ist nicht gut für diese Erde, denn zu viel Konsum kann den Klimawandel befördern. Illy sagt: "Es hängt davon ab, wie Sie produzieren. Die Kaffeeproduktion wurde in zwei Dekaden verdreifacht, aber vor allem durch Produktivitätssteigerungen." Der 56-jährige Illy aus der Kaffee-Dynastie in Triest ist ausgebildeter Chemiker, er ist Experte für sämtliche Kaffeearomen, er steht für italienischen Lifestyle - aber er hat immer auch das große Ganze im Blick. Überall da, von wo das Unternehmen seine Arabica-Bohnen bezieht, ist er häufig vor Ort. In Äthiopien, in Brasilien etwa. Dort sieht er, wie sehr der Klimawandel jene Bohnen bedroht, die er in Europa für seinen Espresso braucht. Für ein paar Jahre, glaubt er, könne es noch gut gehen. Aber spätestens in 20 Jahren würde sich die Lage dann zuspitzen; ein großer Teil der heutigen Arabica-Anbaugebiete könnte wegen der Klimaveränderungen, wegen zu großer Trockenheit oder wegen Überschwemmungen, für immer verloren gehen.

Und dann kam auch noch Corona.

Für die italienische Wirtschaft, ohnehin schon von der letzten Wirtschaftskrise schwer angeschlagen, bedeutete dies: Alles wurde wegen der Pandemie noch viel schlimmer. Und wenn überall auf der Welt Cafés und Bars schließen, Restaurants zusperren und auch die Luftfahrt nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, dann bedeutet das für einen Premium-Kaffeeproduzenten erst einmal nichts Gutes. Natürlich wird Illy auch zuhause in der Küche zubereitet - aber die typische italienische Bar ist immer noch ein wichtiger Ort für den Espresso. "Ich bin sehr optimistisch", sagt Illy, trotz Corona - oder vielleicht auch gerade wegen Corona. Jetzt gebe es die Chance, vieles anders, digitaler, sauberer zu machen. "Zuerst einmal muss sich die Wirtschaft erholen, wir müssen wieder neue Jobs schaffen", sagt der Italiener. Und die Wirtschaft nachhaltiger umbauen.

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