Nahaufnahme:Dezenter Hinweis

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„Ich habe das Gefühl, dass ich als CEO in einer schwierigen Zeit einen wesentlichen Beitrag leisten kann und muss.“ Rupert Stadler im Februar 2018 über seine Rolle in der Affäre. (Foto: dpa)

Für Rupert Stadler, den früheren Vorstandschef der Volkswagen-Tochter Audi, könnte der Prozess in der Abgasaffäre im Herbst losgehen.

Von Klaus Ott

Um Rupert Stadler ist es ruhig geworden, sehr ruhig. Keine Interviews, und auch sonst keine Auftritte in der Öffentlichkeit. Was soll der frühere Vorstandschef der Ingolstädter Volkswagen-Tochter Audi auch anderes machen, als abzuwarten, ob es zu einem Prozess gegen ihn kommt. Seit einem halben Jahr liegt eine Betrugsanklage gegen ihn vor, weil er in die Abgasaffäre bei Audi verwickelt sein soll. Und seit ein paar Tagen müsste Stadler wissen, wann ein Gerichtsverfahren losgehen könnte. Sein Anwalt Thilo Pfordte hat bei der Justiz vorgefühlt. Und von Stefan Weickert, dem neuen Vorsitzenden Richter der 5. Strafkammer am Landgericht München II, einen dezenten Hinweis bekommen. Sollte die Anklage gegen Stadler und drei weitere Audi-Leute zugelassen werden, dann wäre wohl nicht mit einem Prozessbeginn vor Herbst 2020 zu rechnen.

Der frühere Audi- und Volkswagen-Manager kann also davon ausgehen, noch etwa ein dreiviertel Jahr seine Ruhe zu haben, bevor es losgehen dürfte bei Gericht. Bevor entschieden wird, ob Ingenieure und Manager aus der Autobranche sich wegen manipulierter Abgassysteme bei Diesel-Fahrzeugen in Deutschland strafbar gemacht haben. Stadler wäre der erste Ex-Vorstandschef, der vor Gericht käme. Noch vor Martin Winterkorn, seinem Vorgänger bei Audi und anschließendem VW-Chef. Auch Winterkorn ist, zusammen mit weiteren VW-Leuten, wegen Betrugs angeklagt. Und das schon länger als Stadler. Das Landgericht Braunschweig ist aber dabei, die Vorwürfe gegen Winterkorn und andere Volkswagen-Mitarbeiter ziemlich zu zerpflücken, so dass ein baldiger Prozess nicht absehbar ist.

Erst Stadler, dann Winterkorn? Solch ein Szenario dürfte der frühere Audi-Chef als ziemlich ungerecht empfinden. Geht es doch bei ihm, anders als bei Winterkorn, um die Zeit nach Beginn der Abgasaffäre im September 2015. Die Staatsanwaltschaft München II wirft Stadler vor, er habe nach Bekanntwerden der Vergehen bei Volkswagen im September 2015 bei Audi nicht durchgegriffen. Er habe es vielmehr geduldet, dass die Ingolstädter VW-Tochter weiterhin manipulierte Dieselfahrzeuge hergestellt habe; insgesamt rund 120 000 Autos. Diese Fahrzeuge mit einem hohen Schadstoffausstoß seien den Kunden als vermeintliche saubere Autos verkauft worden, das sei Betrug gewesen. Stadler bestreitet diesen Vorwurf und weitere Anschuldigungen.

Winterkorn wird angelastet, er habe von Manipulationen erfahren, bevor diese aufgeflogen seien, und den Behörden sein Wissen verheimlicht. Der Ex-VW-Chef widerspricht. Und er hat gute Chancen auf einen späten Prozess, sofern es überhaupt dazu käme. Die Audi-Anklage hingegen, das gilt unter Verfahrens-Beteiligten als sicher, wird bestimmt vom Gericht zugelassen. Eine Chance gäbe es für Stadler aber noch, nicht gleich mit auf der Anklagebank zu sitzen: Indem sein Anwalt Pfordte einen Antrag stellt, das Verfahren gegen den früheren Audi-Chef abzutrennen. Pfordte soll bei Richter Weickert vorsichtig vorgefühlt haben. Mit dem Hinweis, er ziehe in Betracht, einen solchen Antrag zu stellen. Richter Weickert soll sich aber völlig bedeckt gehalten haben. Pfordte äußert sich nicht dazu; die Justiz auch nicht.

Eines aber ist klar: Ein Prozess gegen den Ex-Vorstandschef und die anderen Angeschuldigten würde lange dauern. In einem seiner letzten Interviews hatte Stadler gesagt, wenn die Abgasaffäre vorbei sei, werde er eine einstige Fahrrad-Wallfahrt ins spanische Santiago de Compostela zu Fuß wiederholen. "Bei einer solchen Wallfahrt findet man innere Ruhe und wieder zu sich selbst." So ein Fußmarsch nach dem Ende der Affäre wird noch lange auf sich warten lassen.

© SZ vom 24.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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