Nahaufnahme:Der Trucker

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Andreas Renschler: „Ich fahre gerne Lastwagen und deshalb bezeichne ich mich als Trucker“. (Foto: Michael Sohn/AP)

Andreas Renschler bringt die VW-Tochter Traton an die Börse: Damit will der Konzern aus Wolfsburg Geld erlösen - und der Lkw-Bauer gewinnt mehr Unabhängigkeit.

Von Thomas Fromm

Es sind oft kleine Dinge zwischen den Zeilen, mit denen Manager einiges über sich verraten. Da gibt es diesen Typus, der ganz en passant vom letzten New-York-Marathon berichtet. Oder von der letzten Alpenüberquerung mit dem Rad. Die versteckte Botschaft lautet dann meistens: Wer so was hinkriegt, schafft es auch, diesen lausigen Konzern hier zu führen.

Es gibt aber auch Typen wie Andreas Renschler, 61, der zu den wenigen Menschen gehört, die irgendwann im Laufe eines längeren Gesprächs sagen: "So, ich geh dann jetzt mal kurz raus, eine rauchen." Man kann dann natürlich mit rausgehen, denn das Gespräch über Lkw, Autos und den Lauf der Welt geht ja weiter, trotz Kippe. Das wirkt vielleicht alles nicht mehr ganz so zeitgemäß, auf jeden Fall weniger selbstoptimierend als der Marathon-Mann. Aber es sind diese kleinen Routinen, die dem Lkw-Manager den Ruf eines hemdsärmeligen und bodenständigen Vorstandschefs eingebracht haben.

Schon vor Ostern wollte Renschler, Chef der VW-Nutzfahrzeugsparte Traton mit den Marken MAN und Scania, an die Börse gehen. Im letzten Moment machte die Konzernmutter aus Wolfsburg einen Rückzieher; angeblich war das schwache Marktumfeld schuld. Renschler und seine Leute sollen darüber überhaupt nicht glücklich gewesen sein. Die Stimmung im Unternehmen sei daraufhin eine ganze Weile gedrückt gewesen, berichten Insider. Hatten es sich die VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piëch am Ende etwa anders überlegt? Denn es ist ja so: Jahrzehntelang hat der Wolfsburger Großkonzern immer nur genommen - Marken gesammelt und Unternehmen gekauft. Jetzt will man sich zum ersten Mal von einem großen Brocken trennen, nicht zuletzt wegen der Milliardenzahlungen in der Abgasaffäre und der laufenden Großinvestitionen in elektrische und autonome Autos.

An diesem Freitag ist es nun so weit: Traton wird an den Börsen in Frankfurt und Stockholm notiert. Allerdings wurden die 57,5 Millionen Aktien zu 27 Euro am unteren Ende der Preisspanne platziert; VW wird so rund 1,55 Milliarden Euro einnehmen und für sich behalten.

"Der Börsengang ist ein wichtiger Meilenstein für Traton", sagte Renschler neulich. Vor allem ist es ein wichtiger Meilenstein für den Stuttgarter selbst. Mehr Unabhängigkeit von Wolfsburg heißt nämlich auch: mehr Spielraum, mehr Freiheit. Renschler will aus MAN und Scania einen weltweiten Anbieter machen. Spekuliert wird unter anderem darüber, dass er den US-Konkurrenten Navistar, an dem man derzeit 17 Prozent hält, komplett übernehmen könnte.

Der Mann, der Anfang 2014 überraschend seinen Abgang bei Daimler bekannt gab und vom damaligen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch nach Wolfsburg gelotst wurde, hatte von Anfang an einen klaren Auftrag: Er sollte aus der zusammengekauften Lkw-Gruppe rund um die Lkw- und Bushersteller MAN und Scania einen Nutzfahrzeugkonzern machen. Als Renschler kam, waren sich die Schweden von Scania und die Münchner von MAN spinnefeind. Zusammenarbeit? Enge Absprachen? Das war schon allein deshalb schwierig, weil die Münchner ihren Rivalen aus Södertälje bei Stockholm mal feindlich übernehmen wollten. Nun ist das zwar auch schon wieder zwölf Jahre her, aber solche Verwerfungen wirken lange nach.

Der Ex-Daimler-Mann Renschler ging hier von Anfang an als neutraler Moderator durch, das half ihm bei seiner Mission. Und er brachte das nötige Gespür für 40-Tonner mit. "Ich fahre gerne Lastwagen und deshalb bezeichne ich mich als Trucker", sagte er mal. Ich fahre, also bin ich - so einfach kann das manchmal sein in diesem Geschäft.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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