Nahaufnahme:Der Schulden-Manager

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Klaus Regling, Chef des Europäischen Rettungsfonds, hat Griechenland mehr Geld geliehen als irgendjemand sonst. Nun schlägt er neue Erleichterungen vor.

Von Alexander Mühlauer

Klaus Regling stand letztens in der Boulangerie Paul, unterm Arm ein Sandwich. Wie er da in der Schlange wartete, fiel er zwischen all den Anzugträgern im Brüsseler Europaviertel nicht weiter auf. Regling, graues Haar, kleine Brille, ist zwar nicht so bekannt wie Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), oder Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister - aber auf seine Worte hören sie. Am kommenden Montag wird es wieder so weit sein. Bei der Sitzung der Euro-Gruppe geht es einmal mehr um dieses verflixte Thema, das Regling nun schon seit Jahrzehnten begleitet: die schier unfassbare Schuldenlast Griechenlands.

Regling also bezahlte sein Sandwich, ging hinaus auf die Rue Froissart und sagte, er müsse gleich los, wieder zurück nach Luxemburg, wo sein Schreibtisch steht. Der Ökonom, geboren 1950 als Sohn eines Tischlermeisters in Lübeck, ist Chef des Europäischen Rettungsfonds ESM. Er hat Griechenland im Auftrag der Euro-Staaten mehr Geld geliehen als irgendjemand sonst. 173,5 Milliarden Euro. Anfang der Woche wird er wieder nach Brüssel fahren, um Schäuble und den anderen Euro-Finanzministern zu erklären, wie Athens Schuldenlast gesenkt werden kann - und zwar innerhalb der Auflagen des aktuellen dritten Kreditprogramms.

Reglings Experten haben ein "Status-update" für kurzfristige Schuldenerleichterungen entworfen. Darin sind drei Maßnahmen aufgelistet, die wohl die Zustimmung der Finanzminister finden werden. Die Frage ist nur, ob das auch den IWF zufrieden stimmt, denn der hat sich noch immer nicht am bis zu 86 Milliarden Euro schweren Programm beteiligt. Lagarde wird am Montag, so heißt es jedenfalls in Brüssel, nicht persönlich an der Sitzung teilnehmen. Zuhören wird sie Regling auf jeden Fall, denn es geht um nicht weniger als eine Milliardenwette auf die Zukunft.

Der wichtigste Punkt in Reglings sechsseitiger Analyse ist dieser: Der ESM-Chef will die derzeit niedrigen Zinsen nutzen, sodass Athen möglichst lange von diesen profitieren kann. Zu diesem Zweck könnte der ESM Anleihen von einer Laufzeit bis zu 30 Jahren ausgeben und Zinstauschgeschäfte nutzen. In den kommenden Jahren würde das zwar zunächst zu höheren Kosten für Griechenland führen, aber den Staat bis 2060 stark entlasten (sollten die Zinsen wieder steigen). Außerdem könnte die Durchschnittslaufzeit von Krediten des alten Rettungsfonds EFSF um vier Jahre verlängert und Athen eine Gebühr erlassen werden. Nimmt man alle Maßnahmen zusammen, könnte die griechische Schuldenlast im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung um gut 20 Prozent sinken - bis 2060.

Das alles sind Berechnungen, die so kommen könnten. Nur: Auch Regling kann das nicht garantieren. Er kann aber für sich in Anspruch nehmen, dass er das in seiner Macht Mögliche tut, um den Schuldenstreit zwischen den EU-Institutionen und dem IWF zu lösen. Reglings Vorschläge könnte der Währungsfonds nun in seine Schuldentragfähigkeitsanalyse einfließen lassen. Diese ist Voraussetzung für ein weiteres Engagement des IWF. Unklar ist aber noch immer, wie Griechenland den vereinbarten Primärüberschuss von 3,5 Prozent erreichen kann.

Regling hat selbst mehrere Jahre beim IWF gearbeitet. Er kennt auch die deutschen Zwänge, sein Schreibtisch stand in den Neunzigern im Bundesfinanzministerium. In Brüssel war der Volkswirt dann Generaldirektor der EU-Kommission. Schon damals ging es um Griechenland und die Frage, wie es Athen mit den Schulden hält. Am Montag wird Regling wieder in Brüssel sein und im Kreise der Minister seine Zahlen präsentieren. Unaufgeregt, das schon, aber nicht ganz so unauffällig wie in der Boulangerie.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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