Nahaufnahme:Der Schnäppchenmann

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Jonas Schulze Dieckhoff: „Es gibt so viele Wege, viel Geld zu sparen im Vergleich zum Reisebüro und zur klassischen Website.“ (Foto: oh)

Jonas Schulze Dieckhoff ist Reisefan und als gebürtiger Schwabe sehr sparsam. 2013 gründete er eine Firma, die im Internet Reise-Sonderangebote vermittelt.

Von Stefan Mayr

Jonas Schulze Dieckhoff entschuldigt sich für den Gestank im Treppenhaus. Die Abwasserpumpe sei defekt, die Hausverwaltung habe das Problem noch nicht lösen können. Es riecht streng im Haus K 28 beim Stuttgarter Hauptbahnhof, durch das Fenster lärmt auch noch ein Presslufthammer. Schulze Dieckhoffs Unternehmen Urlaubstracker befindet sich quasi inmitten der berühmten Baustelle Stuttgart 21, demnächst wird das Bürogebäude abgerissen. Bis es so weit ist, dürfen all die Start-up-Unternehmer im K 28 bleiben. Im Keller des Hauses befindet sich der Nachtclub Kowalski, auch der steht für Subkultur. Und damit passt Schulze Dieckhoff mit seiner Firma gut hierher. Was er und seine Mitarbeiter hier machen, ist eine Art Subkultur der Tourismus.

Urlaubstracker sucht Reiseschnäppchen und vermittelt diese via Internet oder App an die Kunden: Hotels, Flüge, Pauschalreisen. Was früher die Last-Minute-Schalter am Flughafen waren, sind jetzt die Internetseiten von Urlaubstracker oder anderer Anbieter wie Urlaubsguru oder Urlaubspiraten. Sie wenden sich vor allem an junge Leute mit Lust zum Reisen und wenig Geld, die zudem sehr flexibel sind.

Angefangen hat alles 2013, Schulze Dieckhoff studierte noch Online- und Medienmanagement. "Ich bin Reisefan und ein Oberschwabe", sagt der 31-jährige Gründer und Chef. Nach vielen Stunden und Monaten auf der Schnäppchenjagd und etlichen Billig-Trips stand das Geschäftskonzept fest: "Es gibt so viele Wege, viel Geld zu sparen im Vergleich zum Reisebüro und zur klassischen Website, ich wollte dieses Wissen teilen."

Der Stuttgarter entspricht dem Typ dynamischer Jungunternehmer, der als perfekter Schwiegersohn durchgeht. Braun gebrannte Haut, akkurate Kurzhaarfrisur, blaues Hemd, Boss-Schuhe, Tissot-Armbanduhr. Zu Beginn machte er sich bei den Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften nicht sehr beliebt. Er spürte sogenannte Error-Fares auf, das sind Angebote mit fehlerhaften Preisen, bei denen etwa das Komma verrutscht ist. "Eine Mitarbeiterin ist mal kostenlos für drei Nächte nach Rhodos geflogen", berichtet er. "Am Anfang dachten die Kunden, wir verbreiten Fake News." Aber inzwischen hat sich herumgesprochen, dass man den Supersonderangeboten der Portale vertrauen kann. Aber Error-Fares werden weniger. Die Anbieter haben Computerprogramme, die solche Deals schnell löschen.

Dennoch wächst Urlaubstracker weiter. Heute beschäftigt Schulze Dieckhoff fünf "Deal Hunter", wie er sie nennt. Mit insgesamt 20 Mitarbeitern macht er einen siebenstelligen Jahresumsatz. Genauere Zahlen nennt er nicht. Bei Urlaubsguru und Urlaubspiraten wird der Umsatz sogar jeweils auf dreistellige Millionensummen geschätzt. "Wir waren mal eine Mini-Nische, aber heute haben wir Einfluss auf die Branche", sagt Schulze Dieckhoff. "Weil wir eine junge Zielgruppe erreichen, an die die klassischen Reiseveranstalter sonst nicht herankommen." Deshalb schicken die Fluglinien und Veranstalter den einst ungeliebten Schnäppchenjägern längst ihre Angebote zu, um ihre Hotels und Flüge vollzumachen. Die meisten seiner Angebote seien aber selbst entdeckt, betont er: "Mehr als drei Viertel." Urlaubstracker kassiert dann eine Provision, von den Kunden nimmt er nichts.

Nach einer Studie des Verbands Internet Reisevertrieb wurden 2018 erstmals mehr Urlaube online gebucht als im Reisebüro. "Online-Plattformen gewinnen enorm an Bedeutung", sagt Tourismus-Forscher Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Längst tummelten sich auch Senioren im Web: "Von den über 75-jährigen Urlaubern postet schon jeder vierte Bilder."

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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