Nahaufnahme:Der Präsident, hautnah

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Bundesbankchef Weidmann empfängt besorgte Bürger zu einem Tag der offenen Tür. Er bekommt viele Fragen - und kann doch nicht auf alle gute Antworten liefern.

Von Markus Zydra

Besser kann der Bürgerdialog kaum anfangen. Ein elfjähriger Junge fragt Jens Weidmann, wie man Bundesbankpräsident werde. Das Publikum gluckste wohlwollend, und der Amtsinhaber, ohne Schlips, aber im blauen Anzug, empfahl dem ambitionierten Buben mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht, "Volkswirtschaft" zu studieren und ein "Interesse für Geldpolitik" zu entwickeln. Fachliche Kompetenz allein reiche aber nicht, am Ende müsse man von denen, die über die Besetzung entscheiden, auch "gesehen werden".

Weidmann, eine Stunde hautnah. Rund 100 Besucher standen am Samstag Schlange am Eingang zum Vortragssaal des Gästehauses auf dem Bundesbankgelände in Frankfurt. Die Notenbank feierte mit einem Tag der Offenen Tür ihr 60-jähriges Bestehen. Auf dem Gelände standen Pavillons, in denen Kurzfilme zur Geschichte einer Institution liefen, deren Glaubwürdigkeit in der deutschen Bevölkerung tief verankert ist. Die Erinnerung an die stabile D-Mark treibt vielen bis heute Tränen in die Augen. Besucher durften im Bundesbankgebäude Goldbarren anheben, Geldzählmaschinen bewundern und dem Bundesbank-Präsidenten Fragen stellen.

Weidmann, 49, ist seit sechs Jahren im Amt. Er ist der jüngste deutsche Notenbankchef aller Zeiten. Der Volkswirt hat in Frankreich und Bonn studiert, Erfahrungen beim Internationalen Währungsfonds gesammelt, bei der Bundesbank die Abteilung Geldpolitik geleitet, bevor er 2006 als Wirtschaftsberater für Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin ging. Eine steile Karriere, die in zwei Jahren einen weiteren Höhepunkt erleben könnte, sollte Weidmann Nachfolger des amtierenden EZB-Präsidenten Mario Draghi werden. Das Interesse scheint da zu sein, die Bundesregierung dürfte nach der Wahl versuchen, die Personalie in Europa durchzusetzen. Ein Mann aus dem Publikum packte diese Aufstiegschance in die saloppe Frage, wann denn die lockere Geldpolitik der EZB endlich ende oder ob man da noch bis 2019 warten müsse, wenn Weidmann "endlich Nachfolger von Draghi" werde? Eine schmeichelhafte Frage, aber auch kreuzgefährlich, weil sie zu einer kecken Antwort mit Augenzwinkern einlud nach dem Motto, "ja, ja, wartet mal, bis ich das Ruder im EZB-Turm übernommen habe".

Doch Weidmann ist Profi genug, so etwas nicht zu tun. Er lehnte einen Kommentar zur Nachfolgedebatte ab und beschwichtigte, dass man sich im EZB-Rat "nicht ständig mit Giftpfeilen" beschieße. Die niedrigen Zinsen hätten auch ihr Gutes. Etwa für die Finanzminister der Euro-Zone, die seit 2007 rund 1000 Milliarden Euro an Zinskosten eingespart hätten. Oder für Häuslebauer, die an günstige Kredite kämen. Zudem habe es auch zu Bundesbankzeiten Phasen gegeben, in denen die Realzinsen negativ waren. Damals habe man es nur nicht so bemerkt, weil der hohe Zinssatz den Blick auf die noch höhere Inflationsrate vernebelt habe. "Wir sind nicht nur für Sparer da", sagte Weidmann, während Besucher draußen bei leichtem Regen unter einem Zeltdach ihren Weißwein aus Rheinhessen genossen.

Die EZB hält den Leitzins seit Jahren bei null Prozent und steckt insgesamt 2,2 Billionen Euro in den Ankauf von Staats- und Firmenanleihen. Weil die Wirtschaft im Euro-Raum wieder wächst - sogar stärker als in den USA - steht Draghi unter Druck, die lockere Geldpolitik bald zu beenden. Es sei nun wichtig, dass "wir die Geldpolitik wieder normalisieren", sagte Weidmann. Darauf müsse man vertrauen können. "Dafür habe ich Mitstreiter im EZB-Rat", erklärte der Bundesbankchef den anwesenden besorgten Bürgern, um dann allen außerhalb Deutschlands zu sagen: "Auf die Einhaltung von Regeln zu pochen, ist keine deutsche Besessenheit."

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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