Nahaufnahme:Botschafter für Afrika

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Der frühere Bundespräsident Christian Wulff übernimmt vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise wieder die Vermittlerrolle - zwischen Europa und Afrika.

Von Silvia Liebrich

Nach seinem nicht ganz freiwilligen Rücktritt als Bundespräsident hat sich Christian Wulff längere Zeit rar gemacht. Doch in den vergangenen zwei Jahren hat er offenbar ein neues Aufgabenfeld gefunden, das ihn auf der internationalen Bühne zum gefragten Experten macht, als eine Art Vermittler zwischen Europa und Afrika. So auch an diesem Montag in Berlin, als er vor den Teilnehmern eines Landwirtschaftskongresses spricht, zu dem der große US- Agrarkonzern Agco eingeladen hat.

Der 57-Jährige wirkt locker, von der Angespanntheit in der Zeit kurz nach seinem Rücktritt vor fünf Jahren ist nichts mehr zu spüren. Wulff gibt sich staatsmännisch und souverän. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise fordert er, dass Europa und Afrika stärker zusammenrücken müssten. Für die Länder des afrikanischen Kontinents sei eine Art Marshall-Plan nötig, wie ihn einst die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg für Deutschland entwickelt haben, um dem völlig zerstörten Land aufzuhelfen. "Wir müssen in der Zusammenarbeit viel partnerschaftlicher und freundlicher werden", so Wulff.

"Die Probleme Afrikas sind auch die Europas", erinnerte der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident Niedersachsens. Armut und politisches Chaos seien der Hauptgrund dafür, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg in den Norden machten, auf der Suche nach einem besseren Leben. Eine Abschottung, wie sie auch hierzulande immer lauter gefordert wird, sei für Europa keine Lösung. Wulff sieht Deutschland in der Verantwortung, hier die führende Rolle zu übernehmen, auch weil das Land derzeit den Vorsitz der G 20, also der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, innehabe.

Beim Publikum im Berliner Adlon Hotel kommen solche Sätze gut an, darunter führende Politiker und Manager aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Sie sind hier zusammengekommen, um neue Chancen für eine Zusammenarbeit für den afrikanischen Agrarsektor auszuloten - und Investoren anzulocken.

Kritische Stimmen sind hier weniger zu hören. Die Wirtschaftseliten bleiben im gediegenen Ambiente weitgehend unter sich. Probleme wie Landraub, Korruption und Umweltzerstörung spielen nur am Rande eine Rolle. Auch Wulff bleibt in seiner kurzen Rede vage. Viel Zeit, in die Tiefe zu gehen, bleibt bei solchen Veranstaltungen ohnehin nicht. Wulffs Job ist es, zu repräsentieren und an die Verantwortung der Politik zu erinnern. Er macht dies mit leisen, eindringlichen Worten und er weiß durchaus, wovon redet. Mit den Folgen einer verfehlten Afrika- und Nahost-Politik setzt er sich auch als Präsident des Euro-Mediterran-Arabischen Ländervereins (EMA) auseinander. Eine deutsche Organisation, die sich für die Zusammenarbeit zwischen Europa - insbesondere Deutschland - und der Mittelmeer- und Nahostregion engagiert. In dieser Funktion kann er auch auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zählen.

Wulff will mit Auftritten wie diesem wieder Fuß fassen im politischen Leben und wieder als Mann mit Sachverstand und diplomatischem Geschick wahrgenommen werden. Nach seinem Rücktritt 2012 war er mit seiner Ehefrau Bettina vor allem in den Klatschspalten präsent. Die Affäre, die ihn zum Rücktritt als Bundespräsident zwang, hat ihm schwer zugesetzt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, haben seinen Ruf als Politiker nachhaltig beschädigt, auch wenn er am Ende von allen Vorwürfen freigesprochen wurde. Geschlagen gibt ich Wulff dennoch nicht. Mit seinem Engagement für Afrika und die Länder des Nahen Ostens macht er deutlich, dass mit ihm wieder zu rechnen ist.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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