Nahaufnahme:Besuch im Schweinestall

Lesezeit: 2 min

Ophelia Nick: "Wenn der Amazonas brennt, dann hat das auch was mit unseren Würstchen zu tun." (Foto: Bastian Fischer)

Die Grünenpolitikerin Ophelia Nick kämpft für eine neue Landwirtschaft.

Von Jacqueline Lang

Ihre Forderung klingt simpel: Neue Bauern braucht das Land. Das ist auch der Titel von Ophelia Nicks neuem Buch, das Anfang Oktober erscheint. "Ich wollte das ambivalente Verhalten, das Menschen zum Tierwohl einerseits und zu Konsum andererseits haben, verstehen", sagt die 46-Jährige. Ihr Fazit: Wie aktuell Landwirtschaft betrieben wird, ist unlogisch. "Ich will zeigen: Es geht auch anders", sagt sie. Anders bedeutet für Nick nachhaltiger für Mensch und Tier, aber nicht zwingend komplizierter oder teurer.

Vieles von dem, was Nick beschreibt und fordert, hat sie selbst über die Jahre an verschiedenen Beispielen beobachtet. Die schönsten Kindheitserinnerungen habe sie von ihrer Zeit auf dem Bauernhof ihres Großvaters am Bodensee, sagt sie. Die Momente dort hätten sie so sehr geprägt, dass sie nach dem Abitur sogar eine Landwirtschaftslehre begonnen habe. Als sie ein Jahr später die Zusage für einen Studienplatz in Veterinärmedizin bekommen habe, habe sie sich aber gegen das Leben auf dem Bauernhof entschieden. Klar sei von Anfang an gewesen, dass sie sich auf Großtiere spezialisieren werde. Promoviert hat sie im Bereich Tierverhalten.

Nick ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann, ihren zwei eigenen Kindern und den zwei Kindern aus der ersten Ehe ihres Mannes im Rheinland. Hauptberuflich arbeitet die gebürtige Herdeckerin mittlerweile als Politikerin für die Grünen. Sie war Mitglied des Landesvorstands Nordrhein-Westfalen (NRW) und ist Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Sozusagen nebenbei betreibt sie darüber hinaus auch noch eine kleine Schäferei gemeinsam mit einer Freundin, besitzt einen Biobauernhof, den sie momentan allerdings verpachtet, und ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft NRW.

Obwohl sie sich gegen ein Leben als Bäuerin entschieden habe, empfinde sie eine große Wertschätzung für den Beruf, sagt sie. "Die Landwirtschaft ist keine x-beliebige Wirtschaft." Sie will, dass die Menschen das begreifen. Deshalb nimmt sie die Leser ihres Buchs mit in den Schweinestall, klärt auf über das Leben von Mensch und Tier in landwirtschaftlichen Betrieben. Obwohl sich ihr Appell vor allem an Deutschland richtet, begreift sie das Problem doch ganzheitlich: "Wenn der Amazonas brennt, dann hat das auch was mit unseren Würstchen zu tun", ist Nick überzeugt. Umso wichtiger sei es ihr, dass sich endlich etwas ändere. Klar sei aber auch: "Die Politik muss die Weichen stellen." Das Individuum allein habe ja gar nicht die Macht, die nötigen Veränderungen herbeizuführen.

Zwei Jahre hat Nick für ihr Buch recherchiert. Einblicke in die verschiedenen Betriebe zu bekommen, sei kein Problem gewesen, weil sie viele der Betriebe sowieso regelmäßig in ihrer Funktion als Politikerin besuche. Damit, das weiß sie, ist sie eher die Ausnahme. Grundsätzlich gebe es eine große Entfremdung zwischen den Bauern und den Verbrauchern. "Es ist absurd: Wir lernen in der Schule Mathematik, aber nicht, wie eine Kartoffel angebaut wird", sagt Nick. Dabei sei es doch so wichtig, dass der Mensch lerne, wieder mit der Natur zusammenzuarbeiten, und nicht gegen sie - eben so, wie ihr Großvater damals.

Ophelia Nick glaubt fest daran, dass die Veränderungen, die sie fordert, keine reine Utopie sind. "Ich bin Realistin." Es gehe ihr deshalb auch nicht darum, irgendwem die Currywurst zu verbieten. Auch sie selbst lebt nicht vegetarisch oder gar vegan. Allerdings wisse sie, anders als die meisten Deutschen, woher das Fleisch, das bei ihr auf dem Teller lande, komme. Und sie ist überzeugt: die Qualität, die schmeckt man.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: