Viele Juristen hätten sich nach dem Studium wohl anders entschieden. Vor allem in der Wirtschafts- und Finanzwelt locken hohe Gehälter. Zu den Topverdienern gehören Juristen, die Pestizid-Hersteller wie Bayer oder BASF vertreten. Achim Willand hat sich dennoch für die andere Seite entschieden, setzt sich für Umwelt und Natur ein. Aktuell kämpft er für ein europaweites Verbot bienenschädlicher Mittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Nicht gerade ein Thema, mit dem Berufsanfänger Karriere machen können, oder wie es Willand ausdrückt: "Wer als angehender Anwalt im Bewerbungsgespräch sagt, er habe sich schon im Studium auf die Bienen spezialisiert, ist schnell draußen."
Der 54-Jährige hat es trotzdem versucht und ist heute ein bekannter Umweltrechtler. Das Spektrum seiner Klienten reicht von NGOs über Unternehmen und Behörden bis hin zu Ministerien. Seit 1997 ist der promovierte Jurist für die Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. tätig, die auf Umwelt- und Energiethemen spezialisiert ist. Willand selbst ist Experte für Landwirtschaft, Lebensmittel, Altlasten und Wasserrecht. Vor allem aber ist er ein Spezialist in Sachen Bienen.
Aufsehen erregte ein Verfahren, das Willand mit seinem Team bis vor den Europäischen Gerichtshof trug. Es war der Fall des Hobby-Imkers Karl-Heinz Bablok, der nicht hinnehmen wollte, dass sein Honig Spuren von gentechnisch verändertem Mais enthielt - und so zu einem Produkt wurde, das viele Verbraucher ablehnen. 2011 gewannen sie das Verfahren. Belasteter Honig muss seitdem gekennzeichnet werden und darf nur mit gesonderter Zulassung in den Handel, betroffene Imker haben ein Recht auf Schadenersatz. Ein bahnbrechendes Urteil. Gentech-Mais wird hierzulande nicht mehr angebaut.
Sein aktueller Fall hat Willand erneut nach Luxemburg, an den Europäischen Gerichtshof geführt. Nur gehört er diesmal nicht zu den Klageführern, sondern sitzt an der Seite der beklagten EU-Kommission, als eine Art moralische Unterstützung und in Vertretung einiger Imkerverbände.
Angestoßen haben das Verfahren Bayer, BASF und Syngenta. Die Agrarkonzerne klagen dagegen, dass die EU 2013 den Einsatz mehrer bienenschädlicher Pestizide teilweise verboten hat. Darunter drei Mittel aus der Gruppe der Neonicotionoide, deren Einsatz im Freiland die EU nun sogar ganz verbieten will, weil sie als eine der Ursachen für das Bienensterben gelten. Ein Urteil ist für den 17. Mai angekündigt. Die EU-Länder entscheiden bereits an diesem Freitag über ein umfassendes Verbot.
"Im Verfahren geht es um die wichtige Frage, ob die EU Pestizide trotz gültiger Zulassung vom Markt nehmen kann, wenn die Schädlichkeit nicht bewiesen ist, sondern nur ein begründeter Verdacht besteht", sagt Willand. Der Druck auf die EU ist groß, verliert sie das Verfahren, drohen milliardenschwere Schadenersatzforderungen, und für die Kommission dürfte es in Zukunft viel schwieriger werden, gefährliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. Auch Willand spürt den Druck, Agrarkonzerne sind anspruchsvolle Gegner. Doch er hat sich über die Jahre ein Netzwerk von Experten und Wissenschaftlern aufgebaut. Innere Gelassenheit holt er sich beim Klavierspielen. Außerdem reitet der Vater von zwei Kindern gern.
Für Umweltthemen habe er sich schon während seiner Schulzeit in Hamburg interessiert, sagt er. Als in den Achtzigerjahren bekannt wurde, dass auf der stillgelegten Mülldeponie Georgswerder im Stadtteil Wilhelmsburg hochgiftige Dioxine und Pflanzenschutzmittel lagerten, beteiligte er sich an den Protesten. Den eigenen Berufsstand betrachtet er auch kritisch: "Juristen produzieren Geist, oft genug Kleingeist."