Nahaufnahme:Alibabas Botschafter

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Terry von Bibra will den Onlinehandel in Europa groß machen. Seine Mission heißt: erklären, erklären, erklären.

Von Michael Kläsgen

Terry von Bibra ist wie sein Name: schwierig einzuordnen. "Terry"? Ist ein englischer Vorname für Männer - und Frauen. "Von Bibra"? Ein Adelsgeschlecht aus Unterfranken. Terry von Bibra entstammt ihm und nennt sich daher einen "kalifornischen Unterfranken". Er ist in Los Angeles aufgewachsen. Seine Muttersprache ist Englisch und sein Deutsch perfekt. Wenn er es spricht, hört er sich ein bisschen an wie Henry Kissinger, der große amerikanische Außenminister aus Fürth.

Das passt, denn Bibra, 54, sagt, seine Aufgabe sei es, "Botschafter zwischen den Kulturen" zu sein. Wobei er diesmal die chinesische meint. Der kalifornische Unterfranke arbeitet für ein großes chinesisches Internet-Unternehmen: die Alibaba Group. Bibra ist ihr Europa-Chef. Vor Kurzem hat der Konzern, von dem Bibra sagt, in Deutschland sei er "nur ein Start-up", ein kleines Büro mit Blick auf den Viktualienmarkt in München eröffnet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Karl Wehner, dem Deutschland-Chef, empfängt Bibra in Lederhosen und Trachtenjanker. Es ist Oktoberfest. Ein Jux. Wie gesagt, der Mann ist schwierig einzuordnen.

Bibras Mission: erklären, erklären, erklären - und den grenzüberschreitenden Handel vereinfachen, zugunsten der 423 Millionen aktiven chinesischen Alibaba-Kunden. Dazu überwindet der seit 28 Jahren in München lebende Bibra selbst ständig die Grenzen. Vergangene Woche flog er neun Mal, meist interkontinental. Bibra ist der Genscher des E-Commerce. Er fliegt so oft wie der ehemalige Außenminister, über den man scherzte, er müsse sich auf seinen Flügen selbst begegnen.

Bibra sagt, Alibaba sei gewissermaßen Amazon, Facebook und Google in einem. Allein das zeigt, dass China anders ist. "Alle Hersteller und Marken, auch die deutschen, müssen lernen, ganz neue Wege zu gehen, um in China erfolgreich zu sein", sagt Bibra. Etwa im Marketing. Denn auch die chinesischen Kunden sind anders. Er ist begeistert, wenn junge chinesische Influencer im Live-Stream über Firmen etwa aus dem bayerischen Hinterland berichten und erklären, warum Deutsche das dort gefertigte Produkt mögen. Chinesen wollen nicht nur die Ware, sagt Bibra, sondern auch die dazugehörige Geschichte.

Alibaba häuft so märchenhafte Umsätze und Gewinne an. Im vergangenen Quartal stieg der Umsatz allein auf den mehr als sechs Handelsplattformen im Vergleich zum Vorjahr um 58 Prozent. Der Gewinn nur im Onlinehandel übertrifft den des US-Konkurrenten Amazon laut Bloomberg um etwa 50 Prozent. Alibaba hat anders als Amazon den Vorteil, kaum Lager betreiben zu müssen. Der Konzern versteht sich als Technologie-Dienstleister, der wiederum anders als Amazon keine Kontrolle über seine Partner ausüben wolle. Auch nicht in der Logistik. Und das solle auch so bleiben.

Am Dienstag kündigte Alibaba zwar an, 15 Milliarden Dollar in ein globales Logistiknetzwerk investieren zu wollen. Damit sei allerdings nicht gemeint, dass Alibaba nun Lager irgendwo in der Welt bauen wolle. "Zur Gruppe gehören bisher zwar ein paar Lager, aber das ist nicht der Fokus", sagt Bibra. Die Mittel flössen vor allem in intelligente Liefer- und Logistiktechniken.

Der frühere Werbefotograf Bibra lernte die Feinheiten des Onlinehandels wie Wehner bei Amazon in München. Danach wechselte er erst zu Yahoo, dann zu Karstadt online und schließlich zu Alibaba. Der von Jack Ma gegründete Konzern stellte Bibra nicht wegen seiner China-Expertise ein. Die hatte er nicht. Mehr kam es auf Offenheit, Online-Expertise und die Kontakte zu Händlern und Marken an. Und nur um die geht es Alibaba im Moment in Deutschland. Für deutsche Konsumenten hat der Konzern im Moment jedenfalls noch nichts zu bieten.

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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