Nahaufnahme:Ab in die Schweiz

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Ralph Hamers: "Diese Entscheidung war sehr hart für mich, vor allem angesichts der vielen tollen Kollegen bei der ING." (Foto: Johannes Simon)

Ralph Hamers, der Chef der niederländischen Bank ING wechselt zur UBS nach Zürich. Für Europas Bankenbranche ist das in mehrfacher Hinsicht überraschend.

Von Meike Schreiber

Egal, wie die Sache ausgeht, finanziell wird sie sich in jedem Fall lohnen für Ralph Hamers, den Chef der niederländischen Bank ING. Wenn der Manager am 1. November an die Spitze der Schweizer Großbank UBS wechselt, dürfte er sein Gehalt mindestens verfünffachen - ein Sprung von derzeit knapp zwei Millionen Euro auf ungefähr zehn Millionen Euro wird grosso modo drin sein. Während Banker-Boni in den Niederlanden seit Jahren gedeckelt sind, ist in der Schweizer Geldbranche immer noch vieles möglich. Offiziell jedoch bekundete Hamers am Donnerstag erst einmal Abschiedsschmerz, weil er die ING verlässt, deren Deutschland-Tochter zu den größten Geldhäusern hierzulande gehört. "Diese Entscheidung war sehr hart für mich, vor allem angesichts der vielen tollen Kollegen bei der ING", teilte Hamers mit. Aber zugleich fühle er sich "geehrt, die Chance zu bekommen", die UBS zu führen.

Tatsächlich war die Nachricht von Hamers' neuer Aufgabe am Donnerstag eine große Überraschung für Europas Bankenbranche. Zum einen, weil damit nur wenige Tage nach dem plötzlichen Wechsel an der Spitze der Schweizer Großbank Credit Suisse auch deren Rivale UBS einen neuen Chef bekommt. Eigentlich wollte Sergio Ermotti, der die UBS seit neun Jahren anführt, seinen Posten erst 2022 etwa zeitgleich mit Verwaltungsratschef Axel Weber aufgeben. Hamers' Ernennung beendet damit auch Spekulationen, dass der Star-Vermögensverwalter Iqbal Khan, der im vergangenen Jahr von der Credit Suisse zur UBS wechselte, Ermotti vorzeitig an der Konzernspitze ablösen könnte. Zum anderen holen sich die Schweizer mit dem 53-jährigen Niederländer einen Experten für Online-Banking an Bord. Stark ist die ING auch im Privat- und Firmenkundengeschäft, die Vermögensverwaltung für reiche Kunden und das Investmentbanking spielen hingegen kaum eine Rolle - anders als bei der UBS. Hamers habe eigentlich keine Erfahrung im Investmentbanking oder in der Vermögensverwaltung, monierten daher Analysten. Er sei zwar ein Digitalisierungs-Experte, den Aktionären der UBS sei aber vor allem wichtig, dass der Konzern die Kosten in den Griff bekomme.

Für diese Aufgabe bringt Hamers aber durchaus einiges mit. Studiert hat er Ökonometrie; ein Fach, in dem Statistik und Algorithmen die Hauptrolle spielen. Seine Mitarbeiter sagen, er sei datenverliebt, lasse alles genau berechnen. Kaum eine andere Bank in Europa ist so sehr auf Effizienz getrimmt wie die ING. Andererseits geht es leger zu: Selbst Vorstände teilen sich ein Großraumbüro und kommen schon mal in Jeans und T-Shirt zur Arbeit, auch wenn sie Termine haben. Ob Hamers das auch in der feinen Bahnhofstraße in Zürich einführt, wo die UBS ihren Hauptsitz hat und viele Banker noch mit Einstecktuch daherkommen, wird man sehen.

Aufgewachsen ist Hamers im katholischen Süden der Niederlande, in der Klostergemeinde Simpelveld. Immer noch arbeite er nach den christlichen Grundsätzen, die er damals gelernt habe, sagte Hamers einmal. Sein Bruder Frank ist Geschäftsführer der Diözese Roermond, der Heimat der Familie. Dort ist er verantwortlich für alle nicht-kirchlichen Themen. Reich war sein Elternhaus nicht: Sein Vater war bei den Staatsminen, seine Mutter kümmerte sich um den Haushalt. Heute ist Hamers verheiratet und hat zwei Kinder.

Mit nur 46 Jahren wurde er 2013 vom Landeschef von Belgien zum Vorstandschef der ING befördert, der jüngste Chef in der Konzerngeschichte. Bereits nach seinem ersten Jahr bat er 2014 um eine deutliche Gehaltserhöhung, ein heikles Thema in den Niederlanden. Hamers wurde öffentlich kritisiert, die Gehaltserhöhung einkassiert. In der Schweiz wird ihm das wohl nicht passieren.

© SZ vom 21.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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