Nach dem Glos-Rückzug:Kein Erhard, nirgends

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Auf dem direkten Weg in die Bedeutungslosigkeit: CSU-Chef Seehofer und Bundeskanzlerin Merkel richten das einst so wichtige Wirtschaftsministerium zugrunde.

Marc Beise

Man muss Karl-Theodor zu Guttenberg wohl eine Chance geben, schon der Höflichkeit halber. Vielleicht also, so der fromme Wunsch, wird der 37 Jahre alte Franke ein guter Bundeswirtschaftsminister. Zu erwarten ist das nicht angesichts der Vorarbeiten der eigenen CSU. Halten wir fest: Es sitzt nun einer auf Ludwig Erhards Stuhl, weil er immerhin a) nicht der falschen Partei (CDU oder SPD) angehört und b) nicht aus der falschen Region (Oberbayern) kommt. Ob der Mann ausreichend kompetent ist oder dass es bessere Kandidaten gegeben hätte, spielt keine Rolle - Hauptsache, man hat einen CSUler aus Franken mit telegenem Gesichtsausdruck. Willkommen, Herr Minister!

Neuer Chef im Wirtschaftsministerium: Karl-Theodor zu Guttenberg. (Foto: Foto: AP)

Wer einen derart kruden Start hat, mag schon wieder froh sein: Es kann doch nur noch besser werden. Sehr ernsthaft aber besteht die Gefahr, dass es eben nicht besser wird. Warum auch? Die Postenvergabe im Wirtschaftsministerium zeigt, dass dieses Amt nun endgültig am unteren Ende der Bedeutsamkeit angekommen ist; andernfalls hätte die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit all ihrem Machtinstinkt ganz sicher das Heft des Handelns nicht dem querulatorischen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer überlassen.

Merkel tut es ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) nach. Der missachtete ebenfalls das einst stolze Amt, indem er es erst mit einem smarten Internetunternehmer besetzen wollte, dann den parteilosen Leisetreter Werner Müller bestimmte, der in Wirklichkeit des Kanzlers Generalbevollmächtigter für den Atomausstieg war. Nach dem Machtwechsel 2005 gab die CSU dem Amt den Rest. Edmund Stoiber warf den ihm zugedachten Posten weg wie ein Stück Dreck. Michael Glos verwaltete ihn lieblos. Guttenberg ist Proporz. Was insofern konsequent ist, als die CSU nur selten als Hüterin der Ordnungspolitik auftritt. Sie ist vielmehr Meister im Alltagsmauscheln, mal hier ein Subventiönchen und dort eine kleine Zuwendung, auf dass am Wahltag alle zufrieden sein mögen.

Das Bundeswirtschaftsministerium war vor vielen Jahren mal ganz anders gedacht gewesen. Unter Ludwig Erhard war es ein Querschnittsressort, das auch für die in anderen Ministerien betriebene Wirtschaftspolitik zuständig war. Eine Art Aufsichtsministerium der Marktwirtschaft, das permanente schlechte Gewissen der Regierenden, die für die Lösung der Augenblicksprobleme gerne alle Grundsätze über Bord werfen. Ein solches Ministerium wäre heute wichtiger denn je. Denn in Zeiten der Krise spielt Marktwirtschaft keine große Rolle mehr. Stattdessen herrscht eine Ärmel-hoch-Stimmung, die sich vor allem im Bereitstellen von immer neuen Milliarden-Hilfen austobt. Gerade diese Art von Krisenmanagement aber bedarf eines marktwirtschaftlichen Kompasses. Damit beispielsweise aus einem Schutzschirm für Banken nicht plötzlich ein Rettungsfonds für alle und jede Firma in Not wird - ein Thema, bei dem der Wirtschaftsminister Glos durch Gleichgültigkeit auffiel.

Wer den Wirtschaftsjob so betreibt wie Glos, kann ihn gleich dem überaus aktiven, wenn auch prinzipienarmen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zuschlagen. Schon einmal, zwischen Mai 1971 und Dezember 1972, hatte es unter erst Karl Schiller, dann Helmut Schmidt ein Superministerium Wirtschaft & Finanzen gegeben. Später hatte der kantige "Markt"-Graf Lambsdorff wenigstens eine Erinnerung daran vermittelt, was Erhard einmal aufgebaut hatte. Heute möchte man resigniert sagen: Macht zu, das Ministerium, spart den Ministerjob ein und alle Staatssekretäre gleich mit und schlagt die häufig klugen Beamten je nach Sachzusammenhang den anderen Ministerien zu. Und dann vergesst die ganze Sache, und wir beerdigen Ludwig Erhard endgültig.

Michael Glos, der treue Mensch aus Unterfranken, hat seiner Partei bereits manches Gute getan. Nun könnte er einen letzten Dienst dem ganzen Land erweisen - und die Erhard-Büste wieder mitnehmen, die er bei Amtsantritt im Ministerium aufgestellt hat. Die hat dort schon lange nichts mehr zu suchen.

© SZ vom 10.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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