Nach Arcandor-Pleite:Insolvenzgeld weckt Hoffnungen

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Arcandor ist zwar zahlungsunfähig, doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Zumindest bis August sind die Gehälter der Mitarbeiter gesichert - ein neue Perspektive könnte es bis dahin geben.

Noch vor einer Übernahme der Kaufhäuser des insolventen Handelsunternehmens Arcandor prüft Metro-Chef Eckhard Cordes einem Zeitungsbericht zufolge bereits den Weiterverkauf von Kaufhof und Karstadt nach einer möglichen Fusion.

Hoffnung für einen Zusammenschluss mit dem einstigen Konkurrenten? Noch ist die Zukunft der Karstadt-Warenhäuser ungewiss. (Foto: Foto: dpa)

In Kreisen zweier beteiligter Investmentbanken werde dabei der italienische Warenhaus-Unternehmer Maurizio Borletti als Interessent genannt, heißt es in einem Bericht des Handelsblattes .

Borletti solle dabei von einem nicht genannten Finanzinvestor unterstützt werden. Der italienische Unternehmer sagte der Zeitung: "Es laufen derzeit Diskussionen, an denen wir uns beteiligt haben. Aber angesichts der delikaten Lage ziehe ich es vor, nicht zu kommentieren."

Mehrjährige Umstrukturierung

Goldman-Sachs-Deutschland-Chef Alexander Dibelius soll dem Metro-Chef den Kontakt zu Borletti vermittelt haben. Eine Goldman-Sprecherin sagte der Zeitung, ihr sei davon nichts bekannt.

Auch bei Metro gab man sich zu einer möglichen Übernahme der geplanten Deutschen Warenhaus AG durch den Italiener bedeckt. "Uns liegt dazu nichts vor", sagte ein Sprecher. Er bestätigte aber, dass Metro die Warenhäuser zunächst einer ein- bis zweijährigen Umstrukturierung unterziehen wolle, um sie dann mehrheitlich abzugeben. Dabei sei auch der Börsengang eine Option.

Nach der geplanten Zusammenlegung von Karstadt und Kaufhof sollten von den insgesamt gut 200 Warenhäusern etwa 160 erhalten bleiben. Zugleich zeigte Cordes sich zuversichtlich, dass es keine kartellrechtlichen Bedenken geben sollte. Es habe dazu bereits Vorgespräche gegeben.

Metro spekuliert dabei nicht auf Schnäppchenpreise für die Karstadt-Warenhäuser. Es solle ein "fairer Kaufpreis" für 60 Häuser gezahlt werden, unabhängig davon, ob Arcandor einen Insolvenzantrag gestellt habe oder nicht, sagte Cordes in einem Interview mit dem ZDF.

"Wir haben ein kurz- und mittelfristiges Ziel, dieses neue Ganze zu schaffen und ich glaube sogar, jetzt bin ich ganz tollkühn, dass es die Möglichkeit geben könnte, ein solches neues Unternehmen an die Börse zu bringen, an dem wir dann beteiligt bleiben können", sagte Cordes.

Unterdessen gibt sich die Privatbank Sal. Oppenheim zuversichtlich: "Der Verlust aus dem Arcandor-Engagement ist für das Bankhaus Sal. Oppenheim und dessen Gesellschafter bedauerlich, aber absolut verkraftbar", sagte ein Sprecher der Privatbank. Abschreibungsgefährdet seien bis zu 167 Millionen Euro.

Über eine Industrieholding ist Sal. Oppenheim an Arcandor mit knapp 25 Prozent beteiligt. Die Anteile haben nach Angaben des Sprechers einen Wert von 128 Millionen Euro.

Hinzu komme eine Beteiligung von 3,7 Prozent mit einem Anschaffungswert von 19 Millionen Euro, die direkt bei der Bank liegen. Neben dem Direktinvestment ist Sal. Oppenheim noch mit einem Kredit über 20 Millionen Euro bei Arcandor engagiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Was Arcandor-Großaktionärin Schickedanz zur Insolvenz sagt - und wie sie sich rechtfertigt.

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Noch am Mittwoch sollen die Arcandor-Führungskräfte der betroffenen Unternehmensbereiche über das weitere Vorgehen informiert werden. Die Insolvenz sei für alle Neuland, da bestehe ein großer Gesprächsbedarf, sagte Konzern-Sprecher Gerd Koslowski. Die Geschäftsführer unter anderem von Karstadt und den Versandhändlern Primondo und Quelle werden sich von Mittag an in der Essener Hauptverwaltung beraten.

Absturz in Raten - der Verlust der Arcandor-Aktie. (Foto: SZ-Graphik: Hanna Eiden)

Die Mitarbeiter motivieren

Wichtig sei nun, auf die Mitarbeiter zuzugehen und sie zu motivieren. "Es ist jetzt unheimlich wichtig für uns, dass die Geschäfte gut weiter laufen", sagte Koslowski.

Eine wichtige Voraussetzung für die Motivation der Mitarbeiter ist bereits geschaffen, denn zumindest bis August sind die Gehälter der Angestellten gesichert. Der vom Arcandor-Vorstand als Generalbevollmächtigter bestellte Insolvenz-Experte Horst Piepenburg sagte, mit einem Insolvenzgeld in Höhe von 250 Millionen Euro im Rücken sehe er neue Möglichkeiten für den Konzern.

Diese Mittel kommen zwar von der Bundesagentur für Arbeit (BA), doch sie belasten den Etat der Behörde nicht. Denn finanziert wird das Insolvenzgeld über eine Umlage der Arbeitgeber.

Offen bleibt, ob und wann die Gespräche mit dem Konkurrenten Metro zu einer möglichen Übernahme von Karstadt fortgesetzt werden. Die Konzernsprecher wollten sich dazu nicht äußern.

Schickedanz bedauert Insolvenz

Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz hat unterdessen mit Bedauern auf die Insolvenz reagiert. Zugleich wies sie indirekt jede Verantwortung für die Pleite zurück. "Ich habe mich mit meinem gesamten Vermögen engagiert und damit nach landläufiger Auffassung weit über jedes vertretbare Maß ins Risiko begeben", betonte sie in einer persönlichen Erklärung. Dem Aktionärspool um die Quelle-Erbin Schickedanz wird ein Arcandor-Anteil von rund 26,7 Prozent zugerechnet.

Die Bundesregierung hatte am Montag Staatshilfe für Arcandor abgelehnt, mit der Begründung, neben Gläubigern hätten sich auch die Eigentümer nicht ausreichend für die Arcandor-Rettung engagieren wollen. "Ich habe stets zum Unternehmen gestanden und auch in schwierigsten Zeiten die Treue gehalten", so Schickedanz. "Als im November 2004 das Unternehmen nur durch eine Kapitalerhöhung zu retten war, habe ich diesen Schritt selbstverständlich vollzogen. Andere haben dies damals nicht gemacht." Auch in der aktuellen Krise habe sie "keinen Moment gezögert, zu meinem Engagement zu stehen, wohlwissend, dass eine Insolvenz mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist", so Schickedanz weiter. Sie habe bis zur letzten Sekunde gehofft und gebangt, "um dieses Schicksal abzuwenden".

Arcandor-Aktien gingen am Mittwoch elf Prozent höher in den Handel, gaben dann aber etwas nach und lagen noch 3,6 Prozent bei 0,57 Euro im Plus.

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/AP/hgn/tob/mel/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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