Mussolini-App:Angewandter Faschismus

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Der Duce erobert das iPhone: In Italien gibt es jetzt eine App, die 120 Reden des Diktators Benito Mussolini enthält. Die Empörung ist groß - der Erfolg auch.

Andrea Bachstein

In Italien ist eine Anwendung für das Apple-Gerät Verkaufsschlager, die 120 vollständige Reden des faschistischen Diktators Benito Mussolini enthält. Die Worte des italienischen Führers lassen sich für 79 Cent herunterladen, zu den Texten gibt es 20 Minuten Audio- und Videomaterial.

"Der Mann, der die Geschichte Italiens verändert hat": Mussolini in der iPhone-Version. (Foto: Foto: AFP)

Binnen drei Tagen nach Erscheinen lag "iMussolini" auf Platz zwei der meistgefragten Applikationen, mehr als 6500 sind verkauft. Im Internet ist darüber eine lebhafte Diskussion entstanden - es gibt begeisterte Kommentare, aber auch Leute, die es "zum Kotzen" finden, dass der von 1922 bis 1945 herrschende Faschist nun auf dem schicken Touchscreen angekommen ist.

Die Empörung ist auch jenseits des Atlantik zu hören. Elan Steinberg, der Leiter der amerikanischen Vereinigung der Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen, hält es für eine Schande, dass Apple den Verkauf über iTunes dulde. Die Anwendung beleidige das Andenken aller Opfer des Faschismus.

Das Produkt ist keine Apple-Entwicklung. Ein Mitarbeiter einer für Apple tätigen Entwicklungsfirma hat das Ganze auf eigene Faust ins Werk gesetzt. iMussolini trägt den Untertitel: "Der Mann, der die Geschichte Italiens verändert hat." Dem zumindest kann schwer widersprochen werden.

Der Entwickler erklärt in seiner Anwendung, diese habe keinen politischen Hintergrund. Es handle sich um ein historisches Dokument für das Gerät. Die Benutzer fordert er auf, Kommentare zu unterlassen, die den Faschismus verherrlichen - mit dem Hinweis, dass dies strafbar ist.

Das Erbe Mussolinis ist ohnehin längst digitalisiert. Reden, Fotos und faschistische Lieder im Mp3-Format finden sich zum Beispiel auf der Internetseite Il duce.net - die Geschichte eines Italieners, der sein Vaterland liebte".

Zum Jahreswechsel hingen in Kiosken aber auch wieder ganz konventionelle Duce-Kalender aus, und noch immer stehen Lavasteinbüsten des größenwahnsinnigen Kahlkopfs in Souvenirläden.

© SZ vom 01.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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