Recyling:Kampf um den Müll

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Rohstoffquelle: gepresste Einwegflaschen in einer Sammelstelle. (Foto: Geisser/imago)
  • Der Bundesrat will, dass die Kommunen für den Müll zuständig sind, der bei Haushalten anfällt - und nicht mehr nur für den Inhalt der grauen Tonnen.
  • Damit sollen Städte und Gemeinden auch für Verpackungen und Wertstoffe zuständig sein.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Welchen Zoff Gegenstände wie eine zerkratzte Bratpfanne, ein um seine Zacken gebrachter Kamm oder eine vergilbte Klobürste so auslösen können, das ist für Außenstehende nur schwer zu verstehen. Gemeinhin gelten nutzlose Objekte als Müll, und für solchen gibt es hierzulande nur einen Ort: die Mülltonne. Bloß welche?

Seit Jahren tobt darüber ein Streit, denn infrage kämen gleich zwei Tonnen: die graue Tonne, hierzulande reserviert für den sogenannten Restmüll. Oder aber die gelben Tonnen oder Säcke, in denen Verpackungsmüll wie etwa Joghurtbecher landet. Die Bundesregierung möchte aus dieser gelben Tonne gern eine "Wertstofftonne" machen, auch Pfannen und Klobürsten sollen hier rein. Abgeholt werden soll sie von Privatfirmen. Doch dagegen formiert sich Widerstand.

Der Bundesrat hat nun einen Antrag genehmigt, der das Fass, wenn man so sagen darf, zum Überlaufen bringen könnte. Eine Reihe von Bundesländern, allen voran Baden-Württemberg, wollen eine kommunale Zuständigkeit für allen Müll, der bei Haushalten anfällt. Nicht mehr nur für den Inhalt der grauen Tonnen sollen Städte und Gemeinden zuständig sein, sondern auch für Verpackungen und Wertstoffe. "Die Kommunen können das besser und günstiger organisieren", sagte vor der Abstimmung in der Länderkammer Franz Untersteller, grüner Umweltminister in Baden-Württemberg.

Bisher werden nur 36 Prozent der Kunststoffe aus Haushalten recycelt

Damit eskaliert ein Streit, der sich seit den frühen Neunzigerjahren aufgeschaukelt hat. Seinerzeit schuf der CDU-Umweltminister Klaus Töpfer die "Verpackungsverordnung". Erstmals mussten damit Industrie und Handel Verantwortung für den Müll übernehmen, den sie in die Welt setzen. Er sollte gesondert gesammelt und möglichst recycelt werden. Die Kosten dafür sollten, anders als beim übrigen Müll, nicht über Gebühren bei den Verbrauchern erhoben werden - sondern als Lizenzgebühr von denjenigen, die ihre Produkte so kunstvoll verpackt hatten. Je mehr Verpackung, desto mehr Lizenzgebühr: Das sollte die Menge an Verpackungsmüll senken. Es war die Geburtsstunde von "grünem Punkt" und gelbem Sack.

Seither liegen Kommunen und Private im Clinch. Denn Verpackungen sammelten fortan Privatfirmen ein, es entstand das "duale System". Die mittlerweile elf Anbieter handeln die Lizenzgebühren aus und müssen untereinander sicherstellen, dass das komplizierte Finanzierungssystem funktioniert; nicht immer eine leichte Übung. Die Kommunen dagegen sind seither zuständig für den Rest, vor allem jenen in den grauen Mülltonnen. In Bratpfannen und Klobürsten sah in den Neunzigern noch keiner ein Problem.

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Inzwischen hat sich die Lage gründlich geändert, denn rund um die Verpackungen ist ein Milliardenmarkt entstanden. Als das Bundeskartellamt 2012 das Reich des dualen Systems unter die Lupe nahm, fand es Lizenzgebühren von 941 Millionen Euro, doch die Entsorgung kostete nur 824 Millionen Euro: Das spricht für ein gutes Geschäft. So gut, dass die Kommunen ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. "Was der Bund plant, läuft auf die vollständige Privatisierung der Wertstoffentsorgung hinaus", sagt Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). "Das würde uns bis zu eine Million Tonnen Wertstoffe entziehen."

Der Begriff "Wertstoffe" hat sich für Abfälle erst in jüngerer Zeit durchgesetzt. Was in der grauen Tonne landet, der sogenannte feuchte Müll, kommt mittlerweile nicht mehr auf Deponien, sondern in Müllverbrennungsanlagen. Dort wird er nicht schnöde verbrannt, sondern "thermisch verwertet". Verpackungen laufen, wenn sie nicht ebenfalls im Feuer "verwertet" werden, über lange Bandstraßen und werden vollautomatisch getrennt.

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Handel und Entsorger warnen vor "Monsterbürokratie"

Als besonders lukrativ gelten aber die Wertstoffe, die nicht Verpackungen sind, denn Rohstoffe sind knapp. Die Pfanne enthält mehr Metall als Joghurtfolie, im Bobby-Car steckt mehr Plastik als im Joghurtbecher. "In den Neunzigern waren die Kommunen froh, dass die Verpackungsentsorgung an Private ging", heißt es beim Bundesverband der Entsorgungswirtschaft. "Jetzt, wo mit Recycling auch Geld zu verdienen ist, wollen sie Teile des Geschäfts verstaatlichen." Schon warnen Handel und Entsorger vor einer milliardenschweren "Monsterbürokratie".

Privatisieren, verstaatlichen - ursprünglich wollte der Bund von beidem etwas. Im vergangenen Sommer handelte die große Koalition einen Kompromiss aus, der den Kommunen Mitspracherechte ließ, die Sammlung der Wertstoffe aber in die Hände der privaten Firmen legte. "Uns ging es vor allem darum, dass mehr recycelt wird", sagt Helge Wendenburg, zuständiger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium.

Künftig sollten nicht mehr 36 sondern 72 Prozent der Kunststoffe aus Haushalten recycelt werden. Über die Lizenzgebühren sollten die dualen Systeme die Hersteller zwingen, Produkte und Verpackungen so zu gestalten, dass sie sich leichter recyceln lassen. Zu viel Privatwirtschaft, fanden die Kommunen. "Schon die ökologische Bilanz des bestehenden Systems ist miserabel", klagt VKU-Vize Hasenkamp. Nicht wenige wollen auf die dualen Systeme am liebsten ganz verzichten.

In Klobürsten steckt nicht nur Wertstoff - sie brennen auch gut

Darauf läuft auch der Vorstoß der Länder hinaus. Er dreht die Idee des Umweltministeriums kurzerhand um: Alle Verantwortung läge damit bei den Kommunen, sie könnten aber per Ausschreibung Privatfirmen beauftragen. Schließlich unterhalten die auch die Recycling-Anlagen, während Kommunen Experten für Müllverbrennung sind - was ihnen wiederum den Vorwurf einträgt, sie wollten mit den Wertstoffen nur ihre Müllöfen auslasten. In einer Klobürste steckt eben nicht nur wertvoller Kunststoff, sie brennt auch gut. Die Kommunen weisen derlei Unterstellungen empört zurück, versteht sich.

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Kompromisse sind in diesem Milliardenpoker längst nicht mehr in Sicht. Im Ergebnis droht ein Patt, das keinem hilft: dem Recycling nicht, den Verbrauchern auch nicht. Sie dürfen weiter rätseln, wohin die olle Pfanne denn nun hin soll.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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