In der öffentlichen Debatte hat das Böse seit kurzem wieder einen Namen: Uber. Der auch in Deutschland tätige US-Fahrdienstleister steht von allen Seiten unter Druck: Behörden in den USA und in Europa behindern oder verbieten die Aktivitäten des Unternehmens. Mit seiner Smartphone-App ist Uber eine Art Taxizentrale für nicht organisierte Fahrer und macht damit alteingesessenen Taxiunternehmen und Limousinenservices Konkurrenz. Auch außerhalb des Kerngeschäfts macht Uber mit Datenschutzproblemen und kruden Aktionen seiner Führungskräfte von sich reden.
Die Aufregung ist deshalb so groß, weil es um sehr viel Geld geht. Der Unternehmenswert von Uber wurde anlässlich der letzten Finanzierungsrunde im Sommer 2014 auf rund 18,2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Business Insider jubelte Anfang November unter Berufung auf interne Dokumente, der erst 2009 gegründete Fahrdienstleister werde im laufenden Jahr seinen Umsatz voraussichtlich um 300 Prozent steigern können. Der Erlös werde bis Ende 2015 rund zwei Milliarden US-Dollar betragen - und das in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Ist angesichts des Erfolges der Wirbel um das Verhalten einzelner Manager nicht nebensächlich?
Ähnlich attraktiv wie die Atomkraft
Der Fall Uber weist den Betrachter jedoch über die bloßen Zahlen hinaus und wirft Fragen über Unternehmensstrategien im Netzwerkzeitalter auf. Mittlerweile twittert sogar das altehrwürdige Magazin Economist im Zusammenhang mit Uber von einem "Asshole Problem" im Silicon Valley, Christopher Mims sieht im Wall Street Journal gar den Ruf der gesamten IT-Branche in Gefahr.
Die Aufregung der Branchenpublizisten ist gerechtfertigt. Das sorgsam über Jahrzehnte hinweg aufgebaute Image von Amerikas sauberer High-Tech-Industrie als Quell immer neuer Wunder, vollbracht von einem nicht abreißenden Strom immer neuer junger Genies: Es ist angekratzt. Dank scheinbarer Mutanten wie Uber droht die Internetwirtschaft ähnlich attraktiv zu werden wie die Atomkraft, die in ihren Anfangsjahren ja auch als Erlösungstechnik verkauft wurde, als unerschöpfliche Quelle billiger Energie. Als die wahren Kosten der Kernkraft sichtbar wurden, folgten Jahrzehnte erbitterter Proteste, das ursprünglich so saubere Image ließ sich auch mit der geballten PR-Macht von Großindustrie und Staat nicht wiederherstellen. Ließ schon die Datengier von Google und Facebook einige Zeitgenossen aufhorchen, so zeigten spätestens die Enthüllungen des Edward Snowden, dass diese Konzerne ihrerseits von Geheimdiensten wie NSA und GCHQ abgeschöpft werden und damit - ob sie es wollen oder nicht - Teil eines unheimlichen militärischen Kontrollsystems sind.
Uber macht das Problem greifbar
Waren die Datenschutz- und Geheimdienstmachenschaften aber noch abstrakt und ließen sich als Luxusprobleme einer kleinen Avantgarde darstellen, so bekommen die Methoden des Valley mit der neuen Generation von Anbietern eine konkret anfassbare Form, die auch traditionelle Gewerkschaften und Behörden auf den Plan ruft. Gemeint sind damit Anbieter wie Uber oder Lyft und auch der Zimmervermittler Airbnb. Sie folgen einer Vorgehensweise, die man in Anlehnung an eine ebenso umstrittene Bergbaumethode als Fracking-Logik bezeichnen kann.
Ein geschickter Business-Fracker findet seine Schätze in bisher vernachlässigten Zwischenräumen und bringt sie auf den Markt. Uber spart sich bei seinem Dienst Uberpop den Aufbau einer eigenen Taxiflotte, die Fahrer müssen ihr eigenes Auto mitbringen, das Unternehmen behält für die Vermittlung 20% ihres Umsatzes ein. Airbnb baut selbst keine Hotels, es bringt Zimmer von Privatpersonen auf den Übernachtungsmarkt, die ansonsten vielleicht leer stehen würden. Facebook und Twitter fracken die Zeit ihrer User - keine Pause ohne Griff zum Smartphone. Google frackt gar die Expertise seiner Nutzer, nutzt ihre Bewegungen und die von ihnen gesetzten Links im Netz dazu, seine Such- und Werbealgorithmen zu optimieren.
Die Internet-Wirtschaft hat ihren Kompass verloren
Nur mit solchen Frackingmethoden in Raum und Zeit können neue Unternehmen noch so überwältigend schnell wachsen und die gigantischen Renditen erwirtschaften, die sich Valley-Investoren von ihnen erwarten. Bei Plattformen wie Facebook erscheint die Vorgehensweise noch abstrakt, kaum zu fassen, aber Uber bringt sie im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße, macht sie konkret und damit auch für handfeste Politik begreifbar. Die Gefahr, von der man vorher nur ungefähr erahnen konnte, dass sie da war, enttarnt sich mit den Auftritten von Uber mit der Subtilität eines klingonischen Kriegsschiffs in einem Star-Trek-Film.
Wer sich dem nun so offensichtlich gegenübersieht, könnte allmählich auf die Idee kommen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mit Uber fällt der ohnehin unhaltbare Unterschied zwischen Internet und Realität. Kein Wunder, dass die Valley-Akteure, die bisher massiv von diesem Eindruck beinahe transzendenter Unantastbarkeit in Sachen Steuern und staatlicher Regulierung, sich mit Hilfe ihrer Lieblingsmedien nun schnell von diesem Problem distanzieren. Uber mag sich in seiner Kommunikation besonders machohaft geben, aber es ist eben kein Mutant, kein böser Sonderfall. Es ist die Karikatur einer Internetwirtschaft, die ihren unternehmensethischen Kompass verloren hat.