Ministerpräsident unzufrieden mit Zinspolitik:Türkische Notenbank feuert Manager nach Kritik von Erdoğan

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Wer die Entlassungen angeordnet hat, ist unklar. Doch der Zeitpunkt ist bemerkenswert: Bei der türkischen Zentralbank verlieren mehrere Manager ihre Jobs, nachdem Regierungschef Erdoğan die Bank wiederholt attackiert hatte. In Istanbul stehen derweil Dutzende Gezi-Aktivisten vor Gericht.

  • Manager der türkischen Zentralbank verlieren Posten
  • Regierungschef Erdoğan wettert gegen Politik der Zentralbank
  • Prozess gegen Gezi-Aktivisten beginnt

Entlassungen bei der Zentralbank

Nach der Kritik des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdoğan zieht die Zentralbank des Landes einem Bericht der Hürriyet Daily News zufolge personelle Konsequenzen im Management. So seien der für Auslandsbeziehungen zuständige Geschäftsführer und dessen Stellvertreter entlassen worden, zitiert das Blatt mit der Sache vertraute Personen. Auch der für den Zahlungsverkehr zuständige Manager sowie der Privatsekretär des Zentralbankchefs Erdem Basci mussten demnach gehen.

Zu den Gründen sagten die Insider nichts, auch gab es keine Informationen darüber, wer die Entlassungen angeordnet hat. Keiner der betroffenen Manager sei direkt in geldpolitische Entscheidungen eingebunden gewesen. Die Zentralbank wollte sich nicht äußern.

Der Streit mit Regierungschef Erdoğan

Erdoğan hatte der türkischen Nationalbank wiederholt vorgeworfen, zu wenig zu tun, um die hohen Kreditkosten zu senken. Das heize die Inflation an. Die jüngste Zinssenkung im Mai von zehn auf 9,5 Prozent hatte Erdoğan als "Witz" bezeichnet und - von der formal unabhängigen Zentralbank - eine weitere Lockerung gefordert. Zentralbankchef Basci hatte im Kabinett deutlich gemacht, dass er die Vorgehensweise Erdoğans nicht akzeptiere.

Sorge um Demokratie und Menschenrechte

Sollten die Informationen stimmen, so sei das Vorgehen enttäuschend "und würde erneut Fragen über die Unabhängigkeit der Zentralbank aufwerfen", sagte Timothy Ash, Analyst bei der Standard Bank in London. Kritiker werfen dem konservativen Ministerpräsidenten einen zunehmend autoritären Regierungsstil vor und befürchten eine schleichende Islamisierung des Staates.

Ebenfalls Sorge bereitet Beobachtern der Umgang mit Demonstranten. In Istanbul begann am Donnerstag der Prozess gegen Organisatoren der Proteste im Gezi-Park. Den 26 angeklagten Aktivsten drohen bis zu 29 Jahre Haft. Unter ihnen sind fünf Mitglieder von "Taksim Solidarität", einer Dachorganisation, die die Proteste organisiert hatte. Mehr als 5500 Menschen drohe wegen Organisation, Teilnahme oder Unterstützung der Gezi-Proteste strafrechtliche Verfolgung. Menschenrechtsorganisationen protestierten gegen die strafrechtliche Verfolgung der Aktivisten.

Die Proteste hatten sich an Regierungsplänen entzündet, den Gezi-Park in Istanbul zu bebauen. Ende Mai vergangenen Jahres schlugen sie in landesweite Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan um. Sie ebbten im Spätsommer zwar ab.

© Reuters/dpa/jasch - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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