Mindestlohn: Neues Experten-Gremium:Streit in der Schulklasse

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Arbeitgeberpräsident Hundt und DGB-Chef Sommer in einem Beirat - das riecht nach Zündstoff. Eine neue Kommission soll festlegen, in welchen Branchen ein Mindestlohn eingeführt wird.

Björn Finke

Es hat etwas von einer Entlassungsfeier in der Schule, bei der der Schulleiter seine Schützlinge einzeln auf die Bühne ruft und ihnen das Abschlusszeugnis überreicht. Nur dass der Schulleiter in diesem Fall kein Schulleiter ist, sondern Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Und die Personen, die da vorne in einer Reihe stehen und einer nach dem anderen bei Scholz Handschlag und Dokument abholen, sind keine Schüler. Es sind Wissenschaftler und Verbandschefs sowie ein altgedienter Politiker.

Sie erhielten am Dienstag im Bundesarbeitsministerium in Berlin vom Hausherrn ihre Ernennungsurkunden als Mitglieder des sogenannten Hauptausschusses für Mindestarbeitsentgelte. Dieses Gremium soll sich darauf einigen, in welchen Branchen die Regierung verbindliche Mindestlöhne einführt.

Doch diese Einigung könnte schwierig werden, denn die sieben Vertreter haben sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. In dem Beirat sitzen unter anderem Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und Handwerkspräsident Otto Kentzler sowie Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Zwei Wege zum Mindestlohn

Hundt stellte nach seiner Ernennung schon einmal klar, dass er nichts von Mindestlöhnen halte. Sommer hingegen erklärte, er kämpfe weiter für eine flächendeckende gesetzliche Lohnuntergrenze, sehe aber diesen Ausschuss als Chance, in einzelnen Branchen etwas zu erreichen. Viel zu moderieren also für den Vorsitzenden des Beirats, den früheren Hamburger SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Der Politiker, der häufiger bei Tarifkonflikten geschlichtet hat, zeigte sich zuversichtlich: "Wenn man sich Mühe gibt, ist ein Konsens möglich."

Mit dem Ausschuss gibt es in Deutschland nun zwei Wege, um Mindestlöhne in einzelnen Branchen festzusetzen. Einmal über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz: Beschäftigen tarifgebundene Unternehmen in einer Sparte mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter, können Arbeitgeber und Gewerkschaften beim Bundesarbeitsminister beantragen, dass die Tarifverträge allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann müssen sämtliche Firmen die Löhne zahlen.

In Branchen, wo weniger Menschen von Tarifverträgen abgedeckt werden, kommt dagegen das Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz ins Spiel. Hier entscheidet das neu eingesetzte Gremium, ob Mindestlöhne nötig sind. Ein Fachausschuss ermittelt danach die Höhe der Untergrenze, die Regierung macht sie für alle Anbieter verbindlich. Die Gremien beschließen mit einfacher Mehrheit; Konsens ist also nicht notwendig, doch Dohnanyi strebt ihn an. Der Mann mag offenbar Herausforderungen.

© SZ vom 16.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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