Milliardengrab Hypo Alpe Adria:Prozess gegen Ex-Manager der BayernLB droht zu scheitern

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Es sollte eine Abrechnung mit außer Kontrolle geratenen Bankern werden - doch inzwischen ist ungewiss, ob es überhaupt zu einem Prozess gegen den ehemaligen Vorstand der BayernLB kommt. Das Gericht zweifelt an der Anklage. So sei "aus den Akten nirgends ersichtlich", dass Fachleute dem Geldinstitut einst abrieten, die marode Hypo Alde Adria zu kaufen.

Klaus Ott

Es soll ein großer Prozess werden. Das erste spektakuläre Verfahren seit der Bankenkrise gegen Manager aus dieser Branche, der Beginn einer Abrechnung mit außer Kontrolle geratenen Geldinstituten, die den Steuerzahler viele Milliarden Euro gekostet haben. Die Münchner Staatsanwaltschaft will den gesamten früheren Vorstand der BayernLB auf die Anklagebank bringen. Anlass ist der Kauf der österreichischen Hypo Alpe Adria, der für die Landesbank in einem Desaster endete. Doch inzwischen ist ungewiss, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt. Und falls ja, wann das Verfahren beginnen würde - und wer sich am Ende alles vor der Justiz verantworten müsste.

Das Landgericht München I hat jetzt mehrere, zum Teil gravierende Bedenken und Einwände gegen die 474-seitige Anklage geäußert. Ein Gutachter soll die Grundlagen für die heftigen Vorwürfe gegen den einstigen Landesbank-Chef Werner Schmidt und dessen sieben Ex-Kollegen prüfen. Erst dann will das Gericht entscheiden, ob es einen Prozess eröffnet. Aus Verteidigerkreisen heißt es, die Bedenken des Gerichts träfen "den Kern der Anklage".

Zudem soll das Verfahren gegen einen der Angeklagten, den früheren BayernLB-Vorstand Dieter Burgmer, gegen Zahlung eines fünfstelligen Betrags eingestellt werden. Der Manager war während des Kaufs der Hypo Alpe Adria aus dem Vorstand der BayernLB ausgeschieden. Das Gericht hat erhebliche Zweifel, ob eine Pflichtverletzung von Burgmer vorliegt. Das lässt sich alles aus zwei Schreiben des Vorsitzenden Richters der sechsten Strafkammer, Joachim Eckert, an Verteidiger und Staatsanwaltschaft entnehmen. Eckert ist ein erfahrener Jurist, der bereits viele große Wirtschaftsstrafsachen verhandelt hat.

Gab es "für Bankfachleute erkennbare Mängel"?

Unter den spektakulären Banken-Verfahren in Deutschland (Hypo Real Estate, SachsenLB, LBBW, WestLB, HSH) ist der Fall BayernLB am weitesten fortgeschritten. Die Münchner Anklage liegt bereits seit Mai 2011 vor. Doch ein Prozess könnte nach Einschätzung vieler Beteiligter nunmehr frühestens im Herbst beginnen. Es dürfte etliche Monate dauern, bis der vom Gericht ausgewählte Gutachter, Finanzprofessor Bernhard Schwetzler aus Leipzig, seine Ergebnisse abliefert. Er soll die insgesamt zehn Gutachten und Expertisen über die Hypo Alpe Adria untersuchen, auf deren Basis die BayernLB die österreichische Bank kaufte. Eine der Fragen lautet, ob es in diesen Gutachten "für Bankfachleute erkennbare Mängel" gab.

Das Gericht will von Schwetzler außerdem wissen, wie nachvollziehbar eine weitere, im Jahr 2011 im Auftrag der BayernLB erstellte Expertise ist. Wirtschaftsprüfer hatten im Nachhinein errechnet, dass die BayernLB für die Hypo Alpe Adria 624 Millionen Euro zu viel gezahlt habe. Die Staatsanwaltschaft übernahm diese Berechnung. Sie lastet Werner Schmidt und dessen Ex-Kollegen an, durch den überhöhten Kaufpreis Vermögen der Landesbank veruntreut zu haben. Die BayernLB hat bei der Hypo Alpe Adria insgesamt 3,7 Milliarden Euro verloren. Es war das Geld der Steuerzahler. Denn die Landesbank konnte nur dank der Hilfe ihres Haupteigners, des Freistaats, überleben. Gekauft worden war die Hypo Alpe Adria in der Amtszeit von Ministerpräsident Edmund Stoiber.

Die Ermittler geben die Hauptschuld an dem Debakel dem Ex-Vorstand um Werner Schmidt, nicht aber den früheren Kontrolleuren der BayernLB im Verwaltungsrat. Die Zustimmung des mit führenden CSU-Politikern wie Erwin Huber oder Günther Beckstein besetzten Aufsichtsgremiums sei vom Bankvorstand "erschlichen" worden, steht in der Anklage. Richter Eckert sieht das anders: Diese Annahme erscheine "eher fernliegend". Eckert verweist darauf, dass Finanzminister und Verwaltungsratschef Kurt Faltlhauser den Bankvorstand aufgefordert habe, nach dem gescheiterten Kauf einer anderen Bank bei der Hypo Alpe Adria "zum Zuge zu kommen". Der Vorstand solle schnell verhandeln und beim Kaufpreis flexibel sein, habe Faltlhausers Maßgabe gelautet.

Richter Eckert betont außerdem, dass alle am Kaufprozess für die Hypo Alpe Adria beteiligten Fachleute damals dazu geraten hätten, die österreichische Bank zu übernehmen. Dass jemand davon abgeraten habe, sei "aus den Akten nirgends ersichtlich". Eckerts Hinweise aus dem Strafverfahren dürften den heutigen Verantwortlichen der BayernLB wenig gefallen: Sie wollen von allen acht Ex-Vorständen in einem Zivilverfahren insgesamt 200 Millionen Euro Schadenersatz einklagen.

© SZ vom 03.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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